In den letzten drei Landtagswahlen in Sachsen (31.8.), Thüringen und Brandenburg (beide 14.9.) kam erneut die massive Ablehnung der Politik des Kaputtsparens und der Deregulierung/Prekarisierung im Namen der Schuldenbremse und der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit durch die arbeitende Bevölkerung und Jugend zum Ausdruck. Wahlverweigerung und Ablehnung, das hatte schon im Mai 2014 die Kommunalahlen in vielen Bundesländern, wie auch die Wahlen zum Europaparlament, geprägt.
In Brandenburg und Sachsen lag die Wahlbeteiligung unter 50%. In Thüringen, wo die SPD mit einem Minus von 6,1 Prozentpunkte einen katastrophalen Einbruch erlebte, gab es mit 52,7% die niedrigste Wahlbeteiligung seit 1990. Auch in Brandenburg verlor die SPD fast 144.00 Stimmen gegenüber 2009. Und in Sachsen hat sie zwar leicht zugelegt (auf 12,4 Prozentpunkte), konnte aber nicht aus dem Lager der Wahlverweigerer mobilisieren. Diese Ablehnung traf ebenso die CDU und die Linke, die in allen drei Wahlen Stimmen eingebüßt haben, bei besonders schwerem Verlust für die Linke in Brandenburg, die mehr als die Hälfte ihrer Stimmen verlor.
Dagegen profitierte in allen drei östlichen Bundesländern die AfD von wütenden Proteststimmen gegen die drei Parteien CDU, SPD und Linke, die sich alle dem Gebot der Schuldenbremse verschrieben haben. Und unter deren Folgen diese Länder ächzen, wo sich Armut ausbreitet, wo die Infrastruktur erodiert, wo prekäre Beschäftigungsverhältnisse sich krebsartig wuchernd seit den Hartz-Reformen ausbreiten, wo die Jugend keine Zukunft hat.
Die SPD steht nach den letzten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen auf »Augenhöhe« zur AfD vor den Trümmern ihrer Politik, die sie – sei es fünf Jahre lang in der Großen Koalition in Thüringen oder aus der „Opposition“ heraus in Sachsen – verfolgt hat.
In dieser wiederholten Absage, vor allem der Arbeitnehmerwähler, an die Agenda-Politik die Bund, Länder und Kommunen in den Ruin treibt, drückt sich das Scheitern der Kampagne der SPD-Führung aus, sich in der Großen Koalition als die Partei der „Korrekturen an der Agenda“ zu präsentieren, während sie in Wirklichkeit die Fortsetzung der Agenda-Politik „mit anderen Mitteln“ betreibt. Hier sei nur der gesetzliche Mindestlohn als Beispiel genannt, mit dem für Millionen Arbeitnehmer ein im Wesentlichen tarifvertragsloser und gewerkschaftsfreier Armutslohnbereich institutionalisiert wird.
Die Zeit der trügerischen „Reformen für Arbeitnehmer“ ist vorbei. Die SPD-Führung muss unter dem Druck des Kapitals und der EU in der Großen Koalition unter Merkel für direktere und verschärftere Angriffe sorgen.
Doch dafür muss Gabriel sich die DGB-Führung ins Boot holen. Wie schon vor fast einem Jahr, als es darum ging, die SPD dem Gang in die Große Koalition zu unterwerfen.
Um auf dem SPD-Konvent am 20. September der Großen Koalitionsregierung eine Mehrheit für das Ja zu TTIP zu garantieren, hat sich Gabriel in einem außerordentlichen Akt zwei Tage vor der Abstimmung die Unterschrift des DGB-Vorsitzenden Hoffmann unter ein gemeinsames Papier mit dem Wirtschaftsministerium für TTIP gesichert. Mit Hilfe der DGB-Führung konnte er den Widerstand in der SPD kanalisieren und Anträge vom Tisch fegen, die die Aussetzung der Verhandlungen forderten – womit er, so das Handelsblatt, die „Große Koalition vor einer mittleren Katastrophe bewahrt“ hat.
Die von der SPD-Linken DL21 in den schließlich beschlossenen Antrag reingeschriebenen „Bedingungen“, „die rote Linie dürfe nicht überschritten werden“, sind tatsächlich das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
In ihrem gemeinsamen Papier für die Fortsetzung der Verhandlungen der EU über das TTIP, das vom SPD-Konvent beschlossen wurde, formulieren der Wirtschaftsminister der Großen Koalition und SPD-Vorsitzende Gabriel und der DGB Vorsitzende Hoffmann: „Das Freihandelsabkommen darf Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards nicht gefährden“, die zum „Besitzstand der EU und ihrer Mitgliedsstaaten“ gehören.
Die EU-Institutionen, ihre Verträge und Richtlinien sind aber das maßgeschneiderte Werkzeug für das internationale Finanzkapital, genau diese Sozialstandards, kollektiven Garantien und Arbeitsgesetzgebung, die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte seit Jahren unter dem Diktat der Austerität/Schuldenbremse und Strukturreformen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit zu demontieren. Darunter leidet Deutschland dank Schröder schon jahrelang. Der einzige Verhandlungsauftrag der EU-Kommission ist, – gestützt auf alle Regierungen – das Freihandelsabkommen zu nutzen, um jenes Zerstörungswerk der EU noch weiter, bis zu Ende zu treiben.
Weder kann die DGB-Führung unter Hoffmann darüber hinwegtäuschen, dass eine breite Mehrheit der Arbeitnehmer wie von Gewerkschaftsverantwortlichen und viele Gewerkschaftsgliederungen TTIP strikt ablehnen –
noch kann Gabriel verhindern, dass diese Widerstandsbewegung auch bei vielen Sozialdemokraten ein Echo gefunden und sich bis in den Konvent hinein Bahn gebrochen hat. Ca. 40 der etwa 200 Konventsdelegierten stimmten einem Antrag zu, mit dem eine Genossin ihr „Nein“ zu dem Parteivorstandsantrag begründen wollte.
Der Kampf gegen das TTIP ist in Deutschland der Kampf gegen die fortgesetzte Agenda-Politik durch die Große Koalition unter Merkel, die durch die SPD-Minister und die DGB-Führung die entscheidende Unterstützung erhält.
Weder die SPD- und auch nicht die DGB-Führung können verhindern, dass die Arbeiterschaft zunehmend entschlossen nach ihren Gewerkschaften greift, um ihren Kampf gegen Lohnverzicht, gegen die Zerschlagung ihrer Flächentarifverträge – für die Verteidigung und (Rück-)Eroberung der Flächentarifverträge zu organisieren.
Der US-Konzern Amazon will, gestützt auf die jahrelange Deregulierungspolitik, heute in Deutschland Verhältnisse diktieren, die das TTIP für alle Arbeitnehmer einführen soll. Sein „Geschäftsmodell“ gründet auf der Unternehmer-Willkürherrschaft über „tarifvertragsfreie“ und „gewerkschaftsfreie“ Beschäftigungsverhältnisse.
Die Kollegen von Amazon stehen mit ihrem mutigen Kampf an der Spitze des Millionenheeres entrechteter und prekarisierter Arbeitnehmer. Ihr erfolgreicher Kampf für ihre volle Integration in den Flächentarifvertrag des Einzelhandels würde den Durchbruch bedeuten und zu einem Stützpunkt werden für Millionen Kollegen. Dieser Erfolg fordert den Einsatz der gesamten Organisationskraft ihrer Gewerkschaft ver.di für gewerkschaftlich organisierte Solidaritätsaktionen und – wenn nötig – für den Solidaritätsstreik, um Amazon in die Knie zu zwingen.
Die Arbeitskreise um die „Soziale Politik & Demokratie“ laden gewerkschaftliche und politische Arbeiterkämpfer und sozialdemokratische Widerstandskräfte ein, die gegen das kämpfen wollen, was TTIP bringen soll und was die Agenda-Politik schon bringt, sich zu versammeln:
um zu diskutieren über den gemeinsamen Kampf gegen die immer unerträglicher werdende Politik des Kaputtsparens und der Zersetzung der Flächentarifverträge und gesetzlich geschützten Arbeitsverhältnisse. Damit bekämpfen wir die Zerstörungspolitik der EU, und das ist der Weg, um die Einführung des TTIP durch die EU-Verhandlungskommission zu verhindern.
Carla Boulboullé
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