„Die August-Daten für die deutsche Wirtschaft waren fürchterlich: Aufträge und Produktion in der Industrie brachen ein, wie seit der Weltrezession 2008/09 nicht mehr.“ (Handelsblatt vom 10. Oktober)
Das trifft ebenfalls zu für den Niedergang des Exports um 5,8 %.
Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute müssen am 9. Oktober feststellen: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem Abschwung“. Sie senken ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum, des BIP, für 2014 auf 1,3% und für 2015 auf 1,2%.
Die große Mehrheit der Wirtschafts- und Finanzvertreter sind sich einig über die Ursachen für diesen „Absturz“: Unsicherheit beherrscht die Finanzmärkte und –investoren angesichts der weiter „schwächelnden Weltwirtschaft“, der „globalen politischen Krisen- und Kriegsherde“ und der weiter unkontrolliert schwelenden Krise der Eurozone. Einige Vertreter der Gewerkschaftsinstitute fügen als hausgemachte Ursache hinzu: die jahrelange Eurorettungs- und Agenda-Politik des Lohn- und Sozialdumpings, die dem deutschen Imperialismus auf Kosten der Überausbeutung der Arbeiterschaft und der Ruinierung der Substanz der öffentlichen und sozialen Infrastruktur höchste „wettbewerbsfähige“ Profite verschaffte
Auf der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank am 10./11. Oktober in Washington wird Europa zum „größten Problem für die Weltwirtschaft“ erklärt. Unter Führung der US-Regierung wird massiver Druck auf die deutsche Regierung ausgeübt, den neuen, vom EZB-Präsidenten Draghi angekündigten Milliardenflutungen für die Rettung der Banken zuzustimmen, trotz der „Reserven“ der Merkel, Schäuble und Gabriel, die die Kosten dafür im Wesentlichen auch auf die deutsche Bevölkerung abwälzen müssen; des Weiteren die Investitionen in Deutschland und Europa auch zum Preis höherer Neuverschuldung anzukurbeln; und vor allem die Strukturreformen nach Vorbild der deutschen Agenda voranzutreiben, auch gerade in Ländern wie Frankreich, Spanien, Italien, in denen der Widerstand gegen diese Politik die Regierungen und politischen Regime selbst in die offene Krise getrieben hat.
Am Rande der Washingtoner Jahrestagung rügt der Euro-Gruppenchef Dijsselbloem Deutschland für „fehlenden Reformeifer“ und zeigt den Weg zu „mehr Investitionen“ unter Respektierung der Schuldenbremse „durch Umschichtungen im Haushalt“.
Er schlägt zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit vor, die „Dienstleistungsmärkte für den Wettbewerb zu öffnen, sie für private Investoren zu liberalisieren“ und fordert „Strukturreformen mit Kostendämpfung“ bei der Bildung, Rente und im Gesundheitswesen.
Finanzminister Schäuble und der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister der Großen Koalition, Gabriel, halten auch entgegen Kritik aus den eigenen Reihen und aus der Wirtschaft gemeinsam eisern fest an der Schuldenbremse und der „schwarzen Null“ für den Haushalt 2015. Kritik von den SPD-Linken Stegner und Mattheis an dem „Dogma“ Schuldenbremse und schwarze Null bürstet Gabriel umso brutaler ab, als das schnell einen großen Koalitionskrach riskiere.
Die Schuldenbremse ist das Grundgesetz des Regierungsprogramms der Großen Koalition.
Und es ist gerade der Auftrag der SPD-Führung um Gabriel, Merkel durch ihren Gang in die Koalitionsregierung die Fortsetzung der Eurorettungs- und Agenda-Politik zu garantieren und jede Kritik und Widerstand besonders durch die Gewerkschaftsorganisationen mit Hilfe der DGB-Führung und der gemeinsamen Kampagne für den gesetzlichen Mindestlohn als angebliche „Korrektur an der Agenda“ niederzuhalten.
Von Anfang an hat die Große Koalition die dringend geforderten öffentlichen Milliardeninvestitionen zur Rettung und Wiederherstellung der staatlichen öffentlichen Dienste und Infrastruktur, der Krankenhäuser, Bildung und der öffentlichen und sozialen Daseinsvorsorge der Kommunen verweigert und die Kaputtsparpolitik fortgesetzt. Und das wird unter dem Diktat der schwarzen Null fortgeschrieben.
Im Gesundheitswesen/Altenpflege wurden schon einige „kostendämpfende“ Maßnahmen auf den Weg gebracht. Schäuble und Gabriel haben schon vorher begonnen, die jetzt von Dijsselbloem angemahnten weiteren Maßnahmen vorzubereiten. Durch Umschichtungen im Haushalt, z.B. auf Kosten von Sozialausgaben u.a., soll ein wenig Platz gemacht werden für „staatliche Vorlaufinvestitionen“, die dem privatwirtschaftlichen Engagement den profitbringenden Weg bahnen sollen.
Im Zentrum aber steht mit der PPP-Privatisierungsoffensive für die „Sanierung“ aller Formen öffentlicher Dienste und der öffentlichen und sozialen Infrastruktur in Bund, Ländern und Kommunen, den Finanzinvestoren und Spekulanten rentable Anlagemöglichkeiten verschaffen.
Von Seiten der Arbeitgeberverbände wiederum setzt das warnende Trommeln gegen zu kostentreibende und die Wettbewerbsfähigkeit bedrohende Tarifforderungen ein.
Diese Entwicklung setzt unausweichlich härtere Tarifkämpfe und den Zusammenprall der Forderungen der arbeitenden Bevölkerung und Jugend mit der Kaputtsparpolitik auf die Tagesordnung.
So plant ver.di für die Uni-Klinik Homburg/Saar den „Homburger Aufstand“ gegen den Personalmangel und die Überlastung der Pflegekräfte.
Die Lokführer und das gesamte Bahnpersonal kämpfen mit ihren Gewerkschaften EVG und GDL gegen die ruinöse Sparpolitik der Großen Koalition für Reallohnsteigerung, für Arbeitszeit- und Überstundenkürzungen und damit für mehr Personal.
Alle Arbeitnehmer, Gewerkschafter und politische Kräfte, die sich auf die Arbeiterbewegung berufen, sind aufgerufen, den von der GDL organisierten mutigen Streik der Lokführer und Zugbegleiter und anderer zu unterstützen. Die beste Unterstützung aber ist die sofortige Verwirklichung der Einheit der 140.000 Bahnbeschäftigten mit ihren beiden Gewerkschaften im Kampf für die gemeinsamen Forderungen.
Diese Einheit und die vereinte Front der DGB-Gewerkschaften sind umso dringlicher notwendig für die Abwehr eines „Tarifeinheitsgesetzes“ mit partiellem Verbot und Unterdrückung des gewerkschaftlichen Streiks, von Tarifverhandlungen und Tarifvertragsabschluss. Das wird von der Regierung der Großen Koalition auf Betreiben der privaten und öffentlichen Arbeitgeber vorbereitet und soll als erstes den Kollegen der GDL das Genick brechen. Über ihre „Tarifeinheit“ und Tarifunion haben allein die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften selbst zu bestimmen.
Ist es deshalb nicht Zeit für die Sammlung von gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterkämpfern als politische Kraft, die den Arbeitnehmern hilft, ihre Einheit mit ihren Organisationen im Kampf gegen die immer unerträglicher werdende Fortsetzung der Agenda-Politik zu verwirklichen? Denn nur diese Einheit, die die breiteren Teile der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend mobilisiert, ist die Kraft, diese Politik und mit ihr die Regierung der Großen Koalition selbst zu stoppen.
Carla Boulboullé
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