Ein Beitrag zur Diskussion in der Vorbereitung der bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz am 28. Februar 2015 in Berlin

Die letzten Entwicklungen seit dem feigen Attentat in Paris auf die Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« unterstreichen die Aktualität der politischen Fragen, die wir auf der bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz diskutieren wollen. Sie haben uns bei der Vorbereitung der Konferenz zu folgenden Überlegungen veranlasst.     (Text zum Download: Brief Arb.n.konf.)

Dieses Attentat richtet sich gegen das freie Wort in Schrift und Bild, Grundlage der Demokratie und muss in aller Eindeutigkeit verurteilt werden.

Millionen haben in Demonstrationen ihre Ängste und Sorgen um die Gefährdung der Demokratie und Pressefreiheit ausgedrückt. Vor allem aber auch ihre große Besorgnis, dass der weltweite Krieg „gegen den Terrorismus“, den die gesamte internationale Koalition unter Obamas Oberkommando führt, und an dem alle europäischen Regierungen – auch die Große Koalition – beteiligt sind, jetzt in unsere Länder kommt.

Scheinbar an der Spitze der Demonstration in Paris haben sich die Repräsentanten dieser Koalition in Szene gesetzt. Doch wie sollen sie – unter ihnen der Generalsekretär der NATO und neben dem französischen Präsidenten Hollande u.a. Kanzlerin Merkel, die sich mit dem SPD-Vorsitzenden Gabriel in den Schweigemarsch eingereiht hat, Juncker als Präsident der EU-Kommission – die Hoffnungen der Millionen Menschen auf Freiheit, Demokratie und Frieden präsentieren können – auf sozialen Frieden und Gerechtigkeit?

Alle europäischen Regierungen – auch die deutsche – sind beteiligt an dem von ihnen produzierten Elend, an dem Morden, an Vertreibung und Flucht, der Auflösung von Staat und Verwaltung zugunsten des Chaos, aus dem der Terror hervorgeht.

Wer kann von ihnen eine Lösung im Sinne des Friedens und der Demokratie erwarten?

Bereit, in der allgemeinen Kriegsführungspolitik „mehr Verantwortung zu übernehmen“, hat die Große Koalitionsregierung entschieden, erstmals unmittelbar Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, denen jetzt die Soldaten folgen. Und sie hat zugesagt, beim Aufbau einer superschnellen Eingreiftruppe der NATO, der »NATO-Speerspitze«, eine führende Rolle übernehmen, d.h. zunächst, die militärische Schlagkraft an der Ostgrenze der NATO gegen Russland zu potenzieren.

Mit dem militärischen Krieg verbunden ist der politische und ökonomische Krieg. Merkel steht fest an der Seite Obamas im Sanktionskrieg gegen Russland, den das russische Volk mit zunehmendem sozialem Elend bezahlt und der auch direkt auf Deutschland zurückschlägt.

Ohne jeden demokratischen Skrupel mischt sich die Regierung der Großen Koalition an der Seite der EU-Kommission in Griechenland mit dem Ziel in den Wahlkampf ein, auf jeden Fall den Willen des griechischen Volkes zu brechen, das Schluss machen will mit den Troika-Diktaten: denn die drakonische Sparpolitik und Arbeitsmarkt»reformen« seien ohne Alternative – so Merkel und Gabriel!

Wer wird glauben, dass die, die heute in allen Regierungen nach einer Verschärfung der »Sicherheitsgesetze« rufen, nach Einschränkungen von demokratischen Rechten und Freiheiten, z.B. durch die Vorratsdatenspeicherung oder den Personalausweisentzug, für die Verteidigung der demokratischen Rechte stehen? Dient nicht die massive Mobilisierung der Staats- und  Polizeigewalt, unter dem Etikett der Razzien gegen die »islamistische Terrorszene« vor allem der Einschüchterung der Bevölkerung?

Ihr Credo heißt: Alle sollen zusammenstehen hinter der Regierung im Kampf gegen den Terror. Provokateure mobilisieren »das Abendland«, »Einheimische« gegen »den Islam«. Sie wollen in dem Moment, in dem die Klassengegensätze immer klarer hervortreten, in dem die Reichen immer reicher werden und die Verarmung breitester Teile der Bevölkerung wächst, eine Folie darüberlegen, die diese Gegensätze verdeckt. Merkel fordert von den Muslimen eine klare Abgrenzung vom „mörderischen islamischen Terrorismus“ (Regierungserklärung vom 15.1.15) und zeigt so mit dem Finger auf den Sündenbock. Sie fördert so die Anti-Islam-Kampagne und schürt damit die ethnischen und religiösen Konflikte in der Gesellschaft. Denn das braucht die Regierung, um von den Widerstandsbewegungen und Kämpfen gegen ihre antisoziale Politik abzulenken.

Während die Große Koalition den Druck auf die Einwanderer verstärkt, sich »endlich« und mehr zu integrieren, verweigert sie ihnen gleichzeitig die materiellen Bedingungen, die es ihnen erlauben würden, ihre Rechte auf Ausbildung, Berufsabschluss, Arbeit und angemessene Wohnungen zu verwirklichen.

Das ist dieselbe Große Koalition, die Millionen ArbeitnehmerInnen in Deutschland zu Billigjobs und entwürdigender prekärer und tarifloser Beschäftigung und zu Armutsrenten verurteilt. Die unter dem Gebot der EU im Namen der Schuldenbremse die Kaputtsparpolitik und Demontage der sozialen Sicherungssysteme, und im Namen der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft die Zersetzung der Tarifverträge und Prekarisierung vorantreibt.

Gegen diese bedrohlich zunehmende Spaltung brauchen wir mehr denn je die Einheit der Arbeiterschaft – und der Jugend. Eine Einheit, die unabhängig von Geburtsort und religiöser Ausrichtung sich gründet in der bedingungslosen Verteidigung unserer sozialen und politischen Rechte und der Demokratie, in der Verteidigung der Unabhängigkeit unserer Organisationen, besonders der Gewerkschaften.

Die Einladung zur Arbeitnehmerkonferenz stellt auch deshalb unserer Meinung nach zu Recht das von SPD-Arbeitsministerin Nahles im Auftrag des Kapitals auf den Weg gebrachte »Tarifeinheitsgesetz« ins Zentrum der Diskussion: es richtet sich gegen die zunehmende Widerstands- und Streikbewegung gegen diese arbeitnehmerfeindliche und sozial zerstörerische Politik. Die Große Koalitionsregierung greift damit erstmals in der Nachkriegsgeschichte in dieser Form zur staatlichen Einschränkung des Streikrechts und der Grundrechte unserer freien Gewerkschaften. Zur Einschränkung der Streiks, die „unverhältnismäßig gegen das allgemeine und öffentliche Interesse“ verstoßen.

Und wir möchten hinzufügen, dass Gabriel mit dem Freihandelsvertrag TTIP, den er, dem Gebot der EU-Kommission folgend, ohne „wirksame Veränderungen“ unterschreiben will, in Deutschland unter dem Diktat des US-Finanzkapitals die Bedingungen dafür schaffen wird, dass grundlegende Sozialstandards und Arbeitnehmerrechte wie das Streikrecht bedroht werden.

Damit aber ist es auch so dringend wie nie zuvor notwendig, die Unabhängigkeit unserer Gewerkschaften gegen den Druck zu verteidigen, sie in die Politik der Großen Koalitionsregierung zu integrieren (wie z.B. in der Frage des »Tarifeinheitsgesetzes« oder auch bei TTIP).

Wir möchten in diesem Zusammenhang den Aufruf betonen, mit dem sich die Einladung zur Arbeitnehmerkonferenz an alle Arbeitnehmer, Gewerkschafter, politisch Engagierte, Sozialdemokraten wendet:

alles zu tun

- für eine Mobilisierung in den Betrieben und Bereichen um die Unterschriftensammlung auf Initiative von ver.di, GEW und NGG für die Verhinderung des »Tarifeinheitsgesetzes«;

- für Resolutionen und Beschlüsse in Richtung der SPD-Verantwortlichen und Abgeordneten mit der Aufforderung, zu diesem Gesetz Nein zu sagen,

um Nahles daran zu hindern, dieses »Tarifeinheitsgesetz« im Bundestag durchzusetzen.

Das sind die politischen Fragen, die auf der bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz diskutiert werden sollen:

einer Konferenz, zu der alle eingeladen sind, die Nein sagen zu einer – nun verschärften – Fortsetzung der Agenda-Politik der Großen Koalition; die Nein sagen zum Angriff auf das Streikrecht, dem Grundrecht unserer freien Gewerkschaften. Alle, die Nein sagen zur Ausweitung der Kriegsführungspolitik der Regierung der Großen Koalition, eingereiht in die »Koalition der Willigen« unter dem Oberbefehl Obamas. Alle, die Nein sagen zur Entfaltung einer Anti-Islam-Kampagne im Namen des Kampfes gegen den Terror.

 

Gotthard Krupp (ver.di Bezirksvorstand Berlin, SPD, Mitglied im AfA-Landesvorstand)

H.-W. Schuster (ver.di, SPD, AfA-Unterbezirksvorsitzender Düsseldorf)

 

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