Unmittelbar nach ihrer Bildung verkündet die griechische Regierung den Plan für ihre ersten Maßnahmen: Ende der Sparpolitik, Erhöhung des Mindestlohns und der Renten, Wiedereinstellung im öffentlichen Dienst, Stopp bzw. Rücknahme von Privatisierungen, Verbesserungen bei der Gesundheitsversorgung.
Damit antwortet die Regierung auf die Forderungen der arbeitende Bevölkerung und Jugend, für die diese seit fünf Jahren in 20 Generalstreiks, in ungezählten Demonstrationen, Besetzungen… gekämpft haben. Es ist der Erfolg des Kampfes:
der Reinigungsfrauen, die seit 18 Monaten gegen die Entlassung von weit über 559 Kolleginnen aus dem Finanzministerium demonstriert haben und jetzt wieder eingestellt werden sollen;
der Arbeiter des Stromunternehmens DEI, die mit ihrem hartnäckigen Kampf die Ankündigung des Stopps der Privatisierung erreicht haben;
der Rentner, die in immer neuen Demonstrationen gegen die massiven Rentenkürzungen auf die Straße gegangen sind, oder auch der Lehrer, Schüler und Studenten, die gegen Entlassungen und die Kürzungen im Bildungswesen gestreikt haben…
Die EU-Institutionen, die europäischen Regierungen sehen mit größter Unruhe, dass die von Tsipras und seinem Finanzminister Varoufakis angekündigte Entscheidung, eine Reihe der von der Troika (EU, EZB und IWF) diktierten arbeitnehmerfeindlichen, antisozialen und antidemokratischen Maßnahmen zurückzunehmen, bei den Arbeitnehmern und der Jugend in ganz Europa Sympathie und Unterstützung findet.
Während die EU und die Große Koalition der Schäuble, Merkel und Gabriel auf die prinzipielle Einhaltung der „Verträge“ drängen, handeln sie doch gleichzeitig in dem Wissen um das Risiko eines Zusammenbruchs, der in einer Kettenreaktion die EU, ihre Institutionen, den Euro und alle europäischen Regierungen bedroht. Ein Risiko, vor dem zu warnen sich US-Präsident Obama veranlasst sieht.
Dieses Dilemma drückt die von ihnen allen geteilte Erklärung von EU-Präsident Juncker aus, er habe „jedes Verständnis“ dafür, dass Tsipras „Übergänge innenpolitischer Natur“ bauen müsse, um das sofort mit der Drohung zu verbinden, Tsipras dürfe aber nicht mit dem Rahmen des Diktats der Sparpolitik und Arbeitsmarktreformen brechen.
Für die Arbeitnehmer Europas stellt sich die Frage: Wie kann wirkliche Solidarität mit dem griechischen Volk aussehen?
In einem Aufruf auf Initiative führender deutscher Gewerkschaftsverantwortlicher, unterzeichnet u.a. von den Vorsitzenden des DGB Reiner Hoffmann, der IG Metall, Detlef Wetzel und von ver.di, Frank Bsirske, wird gefordert, nach der Wahl in Griechenland „die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU grundsätzlich … zu korrigieren.“ Korrigieren? Die EU? Deren in den Verträgen definierte Aufgabe es ist, die mörderische Politik des Sparens und der Strukturreformen im Interesse der Rettung des Euros und des Finanzsystems allen Völkern Europas aufzupressen?
In einem Interview in der GEGENBLENDE vom 4. Februar erklärt Hoffmann, dass die „griechische Regierung nach dem Wahlkampf – und da hört man ja auch die ersten Signale– auf den Boden der Realität zurückkommen wird“. Und „wir sehen durchaus die Möglichkeit, dass mit dieser neuen Regierung konstruktive Lösungen für eine bessere Schuldentragfähigkeit gefunden werden.“ Das heißt, der DGB-Vorsitzende fordert unisono mit der EU-Kommission und der Großen Koalition von der griechischen Regierung, dass sie auf jeden Fall akzeptiert, alle „Verhandlungen“ dem Ziel der Schuldenrückzahlung unterzuordnen.
„Keine Schuldenrückzahlung, keine Kürzungen“, „es sind nicht unsre Schulden“ – waren Forderungen in den vielen Streikbewegungen.
Mit der Spar- und Privatisierungspolitik unter der Fuchtel der Troika, die das griechische Volk in Elend und Not getrieben hat, wurde der Schuldenberg des griechischen Haushalts weiter aufgebläht für die Flutung von Milliarden und Aber-Milliarden zur Rettung der Gläubiger, der Banken und internationalen Finanzspekulanten.
Die wirkliche Solidarität mit dem griechischen Volk heißt, in Deutschland gegen die gleichen Schläge zu kämpfen, die sie – wenn auch ungleich brutaler – gegen das griechische Volk richten.
Und dagegen zu kämpfen, dass diese Regierung der Große Koalition es wagen kann – mit Unterstützung des DGB-Vorsitzenden – unter Missachtung der Souveränität und der demokratischen Wahlentscheidung des griechischen Volkes, von der Regierung Tsipras die – wie immer auch immer „korrigierte“ – Fortsetzung der Politik des Kaputtsparens und der Arbeitsmarktreformen im Dienste der Finanzinvestoren zu erpressen.
Sind nicht die Forderungen des griechischen Volkes, die jetzt über die Wahlen punktuell erfüllt werden, – wie in ganz Europa – auch in Deutschland Stützpunkte für den Widerstand gegen die zerstörerische Agenda-Politik?
- Für den Kampf gegen das Kaputtsparen und das Lohndumping durch Zersetzung der Flächentarifverträge im Namen der Schuldenbremse und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft?
- Sind sie nicht ein Ansporn im Kampf gegen die Tarifflucht und für die Verteidigung und Eroberung der Flächentarifverträge wie bei der Post und Amazon?
- Für die Metaller, die sich mit ihrer Gewerkschaft IG Metall in wenigen Tagen zu Hunderttausenden in einer Welle von Warnstreiks für die Durchsetzung einer kräftigen Reallohnerhöhung mobilisiert haben?
- Sowie für den fortgesetzten Kampf der Lokführer und des Zugpersonals, sowie der Piloten für mehr Lohn und Personal und die Verteidigung ihrer Tariferrungenschaften?
In Griechenland wie in ganz Europa greifen die Regierungen, im Auftrag der Arbeitgeber, das Streikrecht an, um die Kampfkraft der Arbeiterschaft zu schwächen.
Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) ruft alle Arbeitnehmer zu einem Internationalen Aktionstag zur Verteidigung des Streikrechts am 18. Februarauf.
Auch in Deutschland haben Kollegen dem Aufruf geantwortet: sie wollen sich anlässlich des Aktionstags in ihren Gewerkschaften für eine wirksame Verstärkung der Mobilisierung der gewerkschaftlichen Kampfkraft einsetzen, um von SPD-Ministerin Nahles die Rücknahme des Entwurfs des „Tarifeinheitsgesetzes“ zur Einschränkung des Streikrechts zu erzwingen.
Diese Fragen stehen auf der Arbeitnehmerkonferenz zur Diskussion, zu der alle Arbeitnehmer, Gewerkschafter, politisch Engagierte, Sozialdemokraten und Jugendliche, alle, die Nein sagen zur Fortsetzung dieser verhängnisvollen Politik der Großen Koalition, eingeladen sind.
Carla Boulboullé
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