Am Mittwoch, den 19. August, hat der Bundestag über das 3. „Hilfspaket“ für Griechenland abgestimmt. Mit dem neuen Memorandum vergrößern die Troika und EU-Länder die griechische Schuldenlast um neue 86 Mrd. Euro
- für die Rückzahlung der alten Schulden, der „Rettung“ der Banken, des Euro und für die Abwehr eines Finanzkrachs;
- sowie für ein gnadenloses Programm der sozialen Verwüstung, das dem griechischen Volk aufgezwungen werden soll, das es gewagt hat, Nein zu sagen zu den Memoranden der Troika und der Eurogruppe.
Alle Beteiligten wissen, dass damit keine Lösung gegeben ist,
- weder für den Euro und die Rettung des Finanzsystems. Vielmehr häufen sich die Warnungen vor dem zunehmenden wirtschaftlichen Siechtum der Eurozone und einem Finanzcrash, der das weltweite Finanzsystem bedroht;
- noch für Griechenland, das immer tiefer in den sozialen Abgrund gestürzt wird und wo der verschleppte Staatsbankrott früher oder später zur Explosion treibt.
Alle sind geplagt von dem ohnmächtigen Zweifel in die „institutionelle und politische Fähigkeit“ (IWF-Chefin Lagarde) die geforderten drakonischen Maßnahmen umzusetzen.
Anfang vom Ende des Euro
Mit der Erzwingung eines derartigen Programms wird eine neue Stufe der Krise der Eurozone, der EU und ihrer Institutionen wie aller Regierungen erreicht, mit der nach vielen Stellungnahmen – nicht nur von Schäuble – der Anfang vom Ende des Euro eingeläutet wird.
Schäuble fordert mit einer wachsenden Fraktion in der Union und mit Führungsvertretern des Kapitals im spezifischen Interesse des deutschen Imperialismus den Grexit, um nicht weitere Milliarden den verlorenen hinterherzuwerfen. Doch auch er scheut das Risiko, dass ein solcher Ausfall Griechenlands Auslöser für den Zusammenbruch des Euro wird.
Auch Merkel und Gabriel wissen, dass die Milliarden verloren sind, für die die Bundesrepublik haftet. Vor allem die Kanzlerin muss den immer näher rückenden Tag fürchten, an dem sie dem deutschen Volk die mehrere Hundert-Milliarden-Rechnung für ihre Euro-Rettungspolitik präsentieren müssen.
Doch unter dem Druck des US-Imperialismus müssen sie im Interesse der Verteidigung des Weltfinanz- und Wirtschaftssystems alles tun, um einen unmittelbaren Zusammenbruch Griechenlands zu vermeiden.
Wie schon am 17. Juli 2015, als im Bundestag über die Aufnahme von „Verhandlungen“ mit der griechischen Regierung über das 3. „Hilfspaket“ abgestimmt wurde, haben auch jetzt wieder die SPD-Abgeordneten Briefe und Resolutionen erreichen, die sie auffordern, als Abgeordnete, die sich auf die Errungenschaften und Rechte der Arbeitnehmer, auf die Demokratie und die Respektierung der Souveränität der Völker berufen, mit Nein zu stimmen.
Es ist eine Schande
für das Parlament und insbesondere für die sozialdemokratische Partei, dass die große Mehrheit unter dem Druck, den Euro zu retten und den Krisenanforderungen der „Finanzmärkte“ nachzukommen, diesem 3. „Hilfspaket“ zugestimmt hat. Es setzt dem griechischen Volk das Messer an die Kehle und zwingt es einen bitteren Preis zu zahlen.
Die griechischen Arbeitnehmer haben die Erfahrung gemacht, dass Wahlen und parlamentarisches Handeln nicht ausreichen. Sie versuchen jetzt an ihre jahrelange Kampftradition gegen die von der griechischen Regierung umgesetzten Diktate der EU und Troika anzuknüpfen und dabei die Hindernisse für die Verwirklichung der Einheit der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen im Kampf gegen die korrupten politischen und staatlichen Institutionen zu überwinden, auf die sich die Troika stützen konnte.
Gegen die Zerstörungsprogramme der EU und ihrer Regierungen kann sich das Volk nur verteidigen durch die Befreiung aus der Zwangsjacke von Euro und EU. Vor den Erpressungen durch die Banken und Finanzinvestoren kann es sich nur schützen durch die Streichung der Schulden, die nicht die Schulden des Volkes sind.
Solidarität mit dem griechischen Volk kann nur heißen, den Kampf gegen die Politik der Großen Koalition zu führen, die die Vorreiterrolle bei der Unterwerfung des griechischen Volks unter die Zerstörungspolitik der EU/Troika übernommen hat. Und die in Deutschland mit der Verallgemeinerung der Deregulierung/Prekarisierung und mit der Verschärfung der Sparpolitik unter dem Diktat von Schuldenbremse und Schwarzer Null die Politik der „Austerität“ und Anti-Reformen der EU vorantreibt.
In den Widerstandskämpfen wie bei S & E (s.S. 4-6) und bei der Post gegen Ausgründung und Lohndumping im Namen der Wettbewerbsfähigkeit… stoßen die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften zunehmend auf das Problem der Einschränkungen des Streikrechts, die überwunden werden müssen, damit die Arbeitnehmer im Streik, vereint mit ihren Organisationen, ihre gesamte Kampfkraft entfalten können.
Nehmen wir das Beispiel Post: Von ihrem immer noch größten Aktieneigentümer, der Bundesregierung, wird die Post im Rahmen ihrer Privatisierung in eine Lohndumpingstrategie getrieben. Dabei können sich das Unternehmen und die Regierung darauf stützen, dass 1. die fast 40.000 beamteten Beschäftigten bei der Post kein Streikrecht haben, um sie als Streikbrecher einzusetzen; dass es 2. kein Streikrecht gibt gegen Ausgründungen/Tarifflucht, und sich Gewerkschaft erst auf langwierigen Umwegen dieses Recht – einmalig in ihrer Geschichte – erkämpft und genommen hat; dass es 3. zur Zeit kein Streikrecht für die ausgegründeten Beschäftigten gibt. Überdies hat der Postvorstand mit klammheimlicher Billigung der großen Koalition auf den Einsatz von Leiharbeitern und Werkvertragsarbeitern als Streikbrecher zurückgegriffen.
Als die Gewerkschaftsführung mit einem Lohnverzichtsangebot ihre Respektierung der Anforderungen der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens (hohe Gewinnsteigerung und Dividendenausschüttung) signalisierte, konnte der Postvorstand unter diesen Bedingungen das Streikziel der Rückführung aller in die Billiggesellschaften ausgegründeten Kollegen in den gemeinsamen Haustarifvertrag aller 140000 Beschäftigten, nach Abbruch desvierwöchigen Streiks, an dem sich schließlich bis zu 32.000 Kollegen beteiligten, einfach beiseite wischen.
Solidarität mit dem griechischen Volk heißt
gegen die Euro-Rettungspolitik der Großen Koalition zu kämpfen, für die sie die Vorreiterrolle in Europa hat;
zu kämpfen gegen die von der Großen Koalition umgesetzte EU-Politik der Austerität und „Strukturreformen“ im Interesse des Finanzkapitals:
- für die Verteidigung der Unabhängigkeit der Gewerkschaften gegen den Druck, sie den Anforderungen der Schuldenbremse/Schwarzen Null und Förderung der Wettbewerbsfähigkeit durch Deregulierung, Lohndumping und Prekarisierung zu unterwerfen
- für die Entfaltung der gewerkschaftlich organisierten Kampfbewegung durch die Überwindung der Einschränkungen des Streikrechts und durch die Verwirklichung der Einheit der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen im Kampf gegen die Politik der Großen Koalition.
Carla Boulboullé
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