„Ja, Frankreich befindet sich im Krieg“, mit solchen Kriegsausrufen kündigt Frankreichs Präsident Hollande nach den gezielten Terroranschlägen gegen die Bevölkerung und Jugend am 13. November „gnadenlose Vergeltung“ an. Der erste Akt war die massive Ausweitung der Bombardierungen in Syrien.
Eine weltweite Allianz gegen den Terrorismus – unter dem Oberkommando Obamas – will Frankreichs Präsident Hollande schmieden, um neben Russland und China vor allem auch seine wichtigsten EU-Partner, darunter Kanzlerin Merkel, auf den Krieg einzuschwören.
Nach einigem Zögern, im Bewusstsein des Widerstandes im deutschen Volk, hat die Große Koalitionsregierung jetzt, neben der Verstärkung des Einsatzes deutscher Soldaten in Mali und im Nordirak, die deutsche Beteiligung am militärischen Vorgehen gegen die Terrormiliz IS zugesagt, unter anderem mit Tornado-Kampfflugzeugen und einer Fregatte.
Um diese Maßnahmen zu rechtfertigen, fällt auch Bundesverteidigungsministerin von der Leyen in martialischen Pathos: „Um diese Mörderbande zu stoppen, das brutale Töten und Schinden der Menschen in der Region zu beenden, brauche es militärische Mittel.“ Und das soll im Namen des Schutzes auch der Völker Europas geschehen.
Jede Verstärkung der Militärintervention der Großmächte seit dem Irak und Afghanistan hat im Gegenteil die Ausweitung der Kriegszerstörungen vorangetrieben, den Terrorismus in diesen Ländern genährt und ihn verstärkt nach Europa importiert. Die kriegerische Eskalation nach außen ergänzt Hollande, erneut „zum Schutz der Bürger“, mit der Verhängung des Ausnahmezustandes nach innen. Durch die damit verbundene massive Einschränkung der demokratischen Grundrechte und Gewerkschaftsrechte, die am 19. November um drei Monate verlängert wurde, können alle Demonstrationen und Streiks verboten werden.
Es waren vor allem die Ärzte, das Erste-Hilfe- und Krankenhauspersonal, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die mit beispiellosem Einsatz nach den Attentaten zum „Schutz der Bürger“ zur Stelle waren – trotz der einschneidenden die öffentliche Daseinsvorsorge ruinierenden Sparmaßnahmen. Und jetzt soll diesen selben Kollegen das Recht auf Demonstrationen und Streiks, um sich gegen die Sparangriffe auf Krankenhäuser und soziale Schutzsysteme zu wehren, abgesprochen werden?
Der verstärkte Bombenhagel auf Syrien wird weitere zahllose Menschen zur Flucht zwingen.
In dieser Situation appelliert der französische Premierminister Valls an Merkel, dieEU müsse die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten stärker beschränken. In der Haushaltsdebatte am 25.11. bekennt sich denn zwar auch Merkel zu dem Ziel, „die Zahl der bei uns ankommenden Flüchtlinge zu reduzieren“ und plädiert für europaweite Flüchtlingskontingente. Doch sie wird gleichzeitig durch die Sorge gebremst, dass eine radikale Offensive für die gewaltsame Schließung der Grenzen ihr politisches Ende bedeuten würde.
Das Asylrecht, das auf Grund der historischen Erfahrungen des deutschen Volkes in und nach dem 2. Weltkrieg im Grundgesetz fest verankert war, wurde erneut mit dem Asylpaket vom 15. Oktober von der Großen Koalition drastisch eingeschränkt. Und schon wächst in der CDU der Druck auf die Regierung und Merkel, das Grundgesetz für eine weitere Aushöhlung des Asylrechts zu ändern, um mehr Flüchtlinge abzuwehren.
Milliarden werden aufgebracht für immer neue offensive Maßnahmen, um die Flüchtlinge zurückzutreiben: für den Ausbau von Grenzanlagen und Hotspots (sog. Erstaufnahmezentren), für verstärkten Einsatz von Polizei und Militär.
Oder auch für die von Merkel geforderte finanzielle Unterstützung für den türkischen Autokraten und Kriegstreiber Erdogan, um selbst militärische Abwehrmaßnahmen zur Eindämmung der Zahl der Flüchtlinge zu erkaufen.
Zum Schutz“ der Schuldenbremse verweigert die Regierung Merkel die nötigen Finanzmittel schon für die Erstversorgung und erst Recht für die wirkliche Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft: die Finanzierung von Wohnungen, von mehr Personal für ihre Registrierung, medizinische Versorgung, für die Integrations- und Sprachkurse, die berufliche Qualifizierung…
Intensiv fördert sie andererseits die Entgegensetzung und das Gegeneinander-Ausspielen. Das Minimum, das den durch Krieg und soziale Verwüstungen aus ihren Ländern vertriebenen Arbeitnehmern und Jugendlichen zugestanden werden muss, soll auf Kosten der von der gleichen Sparpolitik schon schmerzlich getroffenen einheimischen Bevölkerung geschehen.
Die öffentlichen Arbeitgeber erklären den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die dabei sind, für den kommenden Tarifkampf (Bund und Kommunen) ihre Forderungen aufzustellen, dass jetzt noch weniger Platz dafür sei wegen der neben den Anforderungen der Schuldenbremse zusätzlichen Kosten für die Flüchtlinge.
Die Arbeitgeberverbände fordern, die große Mehrheit der 20% akademisch und berufsqualifizierten Arbeitnehmer unter ihnen in eine mindestens einjährige Aus-, Weiterbildungs- und Sprachförderungsschleife zu stecken, mit oder ohne Praktikum, in der sie so gut wie keine tarifvertraglichen und andere Schutzrechte haben; andere in Ein-Euro-Jobs zu pressen oder in Billigjobs, in denen diesen Kollegen für längere Zeit selbst das Recht auf den gesetzlichen Mindestlohn verweigert werden soll; mit den „Mindest“- und „Weiterqualifizierten“ sowie Sprachgeförderten wollen sie vor allem das Heer der Leiharbeiter aufrüsten. Darum bekämpfen sie so vehement die schüchternen „Regulierungs“vorschläge der Ministerin Nahles für die Leiharbeiter und drängen sie dazu, wenigstens die „Flüchtlings“-Arbeitnehmer von der Regulierung auszunehmen und sie vor diesem Hindernis für ihre Integration „zu schützen“.
Für die restlichen 80 % winken sie nur ab, für die Mehrheit unter ihnen sehen sie nur die Perspektive der Arbeitslosigkeit und von Hartz IV.
Die in prekärer Arbeit beschäftigten Kollegen können und wollen nicht akzeptieren, dass ihre zur Flucht gezwungenen Kollegen als Reservearmee missbraucht werden für die Ausweitung prekärer und ungeschützter Arbeitsverhältnisse, für die weitere Demontage der Arbeitnehmer – und Gewerkschaftsrechte in Deutschland.
Und die Kollegen im öffentlichen Dienst wollen nicht auf den Kampf für ihre Lohnforderungen verzichten, der auch von dem Willen des Kampfes für mehr Personal getragen ist. Damit wollen sie der Kaputtsparpolitik ein Ende bereiten und den Weg für die Verteidigung und Wiederherstellung der sozialen und öffentlichen Daseinsvorsorge ebnen, und damit für die wirkliche Integration der Flüchtlinge auf der Basis der sozialen Schutzrechte und demokratischen Rechte für alle.
Die Standards am Arbeitsmarkt sollten für alle gelten, auch für Flüchtlinge, fordert Annelie Buntenbach, DGB-Vorstands-mitglied. Die Sprachkurse müssten natürlich grundsätzlich aus staatlichen Mitteln gezahlt werden, nicht aus Beitragsmitteln für die Sozialkassen.
Gewerkschaftskollegen aus dem Berliner Bezirksvorstand diskutieren in diesem Zusammenhang, dass die wirkliche Integration die Organisierung des Kampfes der Gewerkschaften für tarifvertraglich Schutzrechte und soziale Errungenschaften für alle verlangt, für einheimische Arbeitnehmer wie für die Kollegen, die in Arbeitsverhältnisse kommen.
Carla Boulboullé
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