breitet sich aus als Folge des Referendums in Großbritannien und der Mehrheit für den Austritt aus der EU. Die Verkündigung des Resultats erschütterte die europäischen Finanzmärkte, aber ebenso die von Tokio und Wall Street. Das internationale Finanzkapital befürchtet einen Finanzkrach und einen Absturz der Weltwirtschaft, die sich schon in einer andauernden Rezession befindet. Der europäische Bankensektor wird hart getroffen, besonders aber trifft es einmal mehr die Deutsche Bank, die Aktien fallen auf ein Rekordtief.
Panik hat die Führungsgremien der EU gepackt.
Angesichts des wachsenden Widerstands der Arbeitnehmer und Völker in allen Ländern Europas gegen den dramatischen sozialen Niedergang und der damit drohenden Gefahr sozialer Explosionen eröffnet sich eine neue Phase der Zersetzung der ohnehin schon von Krisen erschütterten EU und ihrer Institutionen.
Das Ergebnis des Referendums ist die Konsequenz aus der Ablehnung der Politik der EU, ihrer Richtlinien, und ihrer Umsetzung durch alle ebenfalls von einer tiefen Destabilisierung erfassten Regierungen; es ist die Konsequenz aus den Bestrebungen der Arbeitnehmer und Völker aller europäischen Länder, die EU-Politik der Austerität, der Demontage der sozialen Sicherungssysteme und der Arbeitsmarktreformen zu bekämpfen.
So kann man selbst in der FAZ vom 29. Juni 2016 unter dem Titel „Die Antwort der Wähler auf das Zeitalter der Ungleichheit“ den besorgten Kommentar lesen:
„Nach dem Brexit-Votum dämmert es führenden Banken und Fondsgesellschaften, dass die Ungleichheit in der Gesellschaft zu einem ernsthaften Problem für die Finanzmärkte werden könnte.“
Das Referendum findet sein Echo bei allen Arbeitern und Völkern in Europa, die diese Politik des brutalen sozialen Rückschritts zurückweisen.
In Deutschland hat dieses Echo seinen Widerhall gefunden in der entschiedenen Absage der arbeitenden Bevölkerung in allen Wahlen, zuletzt in den drei Landtagswahlen am 13. März, an die Parteien der Großen Koalition unter Merkel, die mit beispielloser Rigidität in Form der Agenda-Politik die EU-Politik seit Jahren umsetzen.
Diese Ablehnung trifft alle „etablierten“ Parteien, auch die Grünen und die Linkspartei, die alle – jede auf ihre Weise – sich dieser Politik der Großen Koalition verschrieben haben und sie in ihren Regierungspositionen in Ländern und Kommunen umsetzen oder in parlamentarischer „Opposition“ kritisch oder auch punktuell „ablehnend“ begleiten.
Es ist die wütende Ablehnung der durch die verschärft fortgesetzte Agenda-Politik produzierten empörenden sozialen Ungleichheit; der Kaputtsparpolitik im Namen der Schuldenbremse; der Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse; der zunehmenden Massenverarmung ganzer Arbeitnehmerschichten, von Kindern und Alten.
ArbeitnehmerInnen suchen nach einer politischen Vertretung
In dieser Situation, in der immer größere Teile von Arbeitnehmern nach einer politischen Vertretung suchen, die Schluss machen will mit der Politik des Kaputtsparens und der Deregulierung, antwortet der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit dem „Weckruf“: „Wir müssen Europa entgiften“. Er versteigt sich plötzlich dazu, das „Austeritätsjoch“ zu beklagen und fordert, Europa müsse sozialer und gerechter werden.
Es ist der gleiche Gabriel, der sich wenige Monate vor der Bundestagswahl als Rufer für „Soziale Gerechtigkeit“ präsentiert (s. letzte Ausgabe dieser Zeitung), um mit heuchlerischen und unglaubwürdigen Versprechungen von sozialen Korrekturen die SPD aus dem 20%-Abgrund herauszuholen.
Gleichzeitig verordnet die SPD in der Großen Koalition den Ländern und Kommunen unter der Fuchtel der Schuldenbremse einen weiteren Schub des Investitionsstaus. So betrug der Investitionsrückstand in den Kommunen im vergangenen Jahr 136 Milliarden Euro; 2014 waren es noch 132 Milliarden Euro (nach einer Untersuchung der staatlichen KfW Bank). In rund 28 Prozent aller Kommunen sind die Investitionen um mehr als ein Drittel niedriger ausgefallen und es fällt ihnen deutlich schwerer, ihre bestehende Infrastruktur zu finanzieren.
Derselbe Gabriel, der aus heiterem Himmel die „soziale Gerechtigkeit“ beschwört, ist in der Großen Koalition für die Folgen dieser schlimmeren Fortsetzung der Agenda- Politik mitverantwortlich, unter der die Bildung, die Schulen, Kitas, Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen … in den ausgebluteten Kommunen leiden oder sogar dem Verfall preisgegeben werden.
Die arbeitende Bevölkerung und Jugend verbindet mit den Wahlen keine illusionäre Erwartung in eine Wende hin zu sozialen Korrekturen, die verlangen würden, mit den zwei Grundgesetzen der Großen Koalition, die den Geboten der EU folgen, zu brechen: der Schuldenbremse und den Anforderungen des „wettbewerbs-fähigen“ Profits.
„Europa neu gründen?“
In dieser Situation mehren sich die Stimmen der Verantwortlichen aus den Führungen der Parteien und Gewerkschaften, die eine „Reformierung“ der EU als Ausweg anbieten wollen. Gabriel und der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz veröffentlichen ihren Appell: „Europa neu gründen“. Die führenden Vertreter der Linkspartei rufen nach einem „Neustart“ der EU und Politiker der Grünen fordern ebenfalls, „Europa braucht einen Neustart“.
Doch die EU und ihre Institutionen, deren Politik im Vertrag von Lissabon, den Richtlinien und den Freihandelsverträgen begründet ist, sind nicht zu reformieren.
Eine Lösung kann es für die arbeitende Bevölkerung und Jugend nur geben durch ihre gewerkschaftlichen Kämpfe für die Verteidigung, Eroberung und Wiedereroberung der Flächentarifverträge und Tariflöhne, für die Befreiung aus dem Billiglohn und prekären Arbeitsverhältnissen.
Das allein ist der Weg, um wirkliche politische Korrekturen im Sinne „sozialer Gerechtigkeit“ erreichen zu können, um endlich Schluss zu machen mit der Schuldenbremse und der zerstörerischen Deregulierung der Arbeitsverhältnisse.
Das ist der Weg aller Arbeitnehmer und Völker ganz Europas, um die Politik der EU und ihrer Institutionen im Interesse der Banken, der Finanzoligarchie und der Profite der Konzerne zurückzuschlagen.
Carla Boulboullé
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