Die Arbeitnehmerkonferenz, die sowohl was die Teilnehmerzahl betrifft, wie die Diskussion erfolgreich war, war geprägt von wichtigen Beiträgen zur Entwicklung der politischen Situation in Europa wie in Deutschland, sowie von dem Austausch der Kampferfahrungen der Kollegen.
Die Konferenz fand in einer Situation statt, in der ganz Europa von einer tiefen Erschütterung erfasst wird, deren Ursache in der Ablehnung und dem Widerstand gegenüber einer Politik beruht, die in ganz Europa, egal welcher Couleur die jeweilige Regierung ist, das Fundament der kollektiven Garantien und Arbeiterschutzrechte, die gesamte Sozialgesetzgebung angreift, welche die Arbeiterschaft in harten Kämpfen erobert hat.
Eine Politik, die in Unterwerfung unter die allgemeine Offensive des Finanzkapitals und der großen multinationalen Konzerne politisch durch die Institutionen der EU formuliert und von allen Regierungen in der EU umgesetzt wird.
Die Sparpolitik trifft z.B. die große Errungenschaft des überwiegend staatlichen Gesundheitswesens. In mehreren europäischen Ländern gab es darum Kämpfe der Beschäftigten vor allem in den Krankenhäusern, so z.B. in Polen, in Frankreich, Großbritannien und nicht zuletzt in Deutschland.
In Großbritannien erlitt die Regierung May eine Niederlage. „Jeremy Corbyn hat sich gestützt auf Hunderttausende Gewerkschaftsmitglieder als Vorsitzender der Labour Party durchgesetzt. Mit seiner Aufkündigung der „Agenda-Politik“ der früheren Labour-Blair-Führung und dem Versprechen der Wiederverstaatlichung der Bahn, massiver Investitionen in das Gesundheitswesen und der Aufhebung der Anti-Gewerkschaftsgesetze, konnte er die Arbeitnehmer und Jugend in den Wahlen mobilisieren.“ (Gotthard Krupp in seiner Einführungsrede).
Die französischen Kollegen berichteten über den fünfmonatigen Kampf gegen das neue Arbeitsgesetz. „Normalerweise heißt es, dass während eines Wahlkampfes kein Klassenkampf stattfinden darf. Doch die Streiks und Demonstrationen sind weitergegangen. Die Ablehnung trifft alle Parteien von links bis rechts“. Sie trifft alle, die mit der Politik der verschiedenen früheren Regierungen verbunden waren, die im Namen der Diktate der EU, des IWF und Finanzkapitals betrieben wurde; „Hollande, Sarcozy, Valls… alle wurden hinweggefegt. Die neue Regierung von Macron wurde nur von 15 % der Wahlberechtigten gewählt. Und bisher ist es ihm nicht gelungen, die Gewerkschaften in die von ihm geplante Arbeitsrechts„reform“ einzubinden. … Der Kampf gegen die Arbeitsrechts„reform“ und für Verteidigung der Tarifverträge fand seinen Niederschlag einerseits in den historisch hohen Wahlenthaltungen, wie auch in den Stimmen für Mélanchon im ersten Wahlgang (siehe Anmerkung S. 7)
„In Deutschland hat sich in allen letzten Wahlen, zuletzt in der katastrophalen Wahlniederlage der SPD in NRW, aber auch im letzten September in Berlin, vor allem eins gezeigt: die massive Ablehnung dieser Agenda-Politik durch die gesellschaftliche Mehrheit. Das „Nein“ zur Politik des Kaputtsparens gegen die Kommunen, gegen Krankenhäuser, Schulen und Kitas, der Zersetzung der Flächentarifverträge durch Tarifflucht jeder Art, durch Ausgründungen, Leiharbeit und Werkverträge… und der epidemischen Ausweitung von Billigjobs und Armutslöhnen. Und diese Ablehnung trifft besonders die SPD, die sich traditionell auf die politische Vertretung der Arbeiterschaft beruft“,. (Aus der Einführung)
Die Beiträge auf der Konferenz waren von diesen zentralen politischen Fragen geprägt, wie auch von den Erfahrungen aus dem Kampf für die Verteidigung der Unabhängigkeit der Gewerkschaften und für das uneingeschränkte Streikrecht.
An einem Vorbereitungstreffen morgens vor der Konferenz nahmen neben deutschen KollegInnen die französischen Kollegen Phillippe Navarro, Verantwortlicher aus dem Gesundheitswesen der FO und Bruno Ricque, Verantwortlicher aus dem Gesundheitswesen der CGT, teil, sowie die polnischen KollegInnen Barbara Rosokowska und Jacek Rosokowski, beide Verantwortliche der Gewerkschaft Walka.
Sie machten gemeinsam den Vorschlag, den Delegierten der Arbeitnehmerkonferenz einen Aufruf vorzulegen „An unsere Kollegen, gewerkschaftliche und politische Arbeiterkämpfer, die in ganz Europa für die Verteidigung der existenziellen sozialen und politischen Errungenschaften der Arbeiterschaft kämpfen“.
Dieser gemeinsam erarbeitete Aufruf weist auf die größten Widerstandskämpfe hin, die sich in jedem Land gegen die allgemeine Offensive des Kapitals entwickeln: für die Verteidigung der von der Arbeiterbewegung erkämpften sozialen und demokratischen Errungenschaften.
„Ziel unseres Austauschs ist es, ausgehend von den jeweiligen Erfahrungen die politische Orientierung auszuarbeiten, um der Arbeiterschaft zu helfen, sich gegen diese Offensive zu erheben, eine Offensive, die unsere Gewerkschaftsorganisationen bedroht und damit dem Kampf für die Verteidigung der Unabhängigkeit der Gewerkschaften zu einer zentralen Aufgabe der Arbeiterschaft macht,“ führte Gotthard Krupp aus:
„Der Aufruf eröffnet uns die Möglichkeit, eine repräsentative Delegation zur Offenen Weltkonferenz gegen Krieg und Ausbeutung in Algier aus den Kämpfen der Arbeiterbewegung in Europa herauszubilden.“
Philippe Navarro ergänzte: „Es geht um einen Austausch über die neue Situation in Frankreich, Spanien, England, Deutschland… Die gegebenen Hindernisse sind nicht verschwunden, aber es gibt Perspektiven, wie wir die Hindernisse überwinden können und über die wir heute und auf der Offenen Weltkonferenz diskutieren können“.
Der Aufruf hat in Deutschland schon über die Arbeitnehmerkonferenz hinaus ein Echo erhalten. Die KollegInnen aus Frankreich und Polen wollen ihn in der Vorbereitung der Offenen Weltkonferenz in ihren Ländern bekanntmachen; und er wird über die politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterkämpfer, die den Aufruf zur Offenen Weltkonferenz unterstützt haben, europaweit seine Verbreitung finden.
Carla Boulboullé
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