Die CSU geht auf ihre Weise ihren Weg der „Erneuerung“.
„Mit starrem Blick auf die bayrische Landtagswahl im Oktober und den drohenden Verlust ihrer absoluten Mehrheit agiert die CSU ebenso ruch- wie kopflos“, kommentiert die SZ vom 28. 6. Dabei geht es nur vordergründig um die Flüchtlingspolitik. Getrieben von Panik, denn es geht um die Existenz der Partei, versucht die CSU unter Seehofer und Söder sich mit demagogischer Flüchtlings-Hetze zu profilieren und der AfD Stimmen abzujagen.
Sie hofft durch dieses Manöver ablenken zu können von der massiven Ablehnung der fortgesetzten Agenda-Politik, für die sie, wie alle Parteien der Großen Koalitionsregierung, ein historisches Wahldesaster eingefahren hatte. Dennoch, die CSU verliert nach den Wählerumfragen weiter an Zustimmung, und an ihrer Spitze vor allem Söder selbst, und ist weit entfernt von der absoluten Mehrheit.
Während diese Zeilen geschrieben werden, hat Innenminister Seehofer angekündigt, dass er am Sonntag, den 1. Juli, über die Zurückweisungen von Flüchtlingen im Alleingang Deutschlands entscheiden wird. „Wir wollen schon am Sonntag Klarheit.“ Das könnte nicht nur zum Bruch des Unions-Bündnisses und zu einem Chaos mit „unkalkulierbaren Folgen“ (SPD) führen. Es birgt die Gefahr, dass Europa zerbricht, warnt Juncker, Kommissionspräsident der EU.
Es bleibt allerdings anzumerken, dass alle Parteien der Großen Koalitionsregierung ihren Platz in der Zertrümmerung des Asylrechts einnehmen.
Mit dem von ihr provozierten Konflikt zwischen Merkel und Seehofer riskiert die CSU einen Sturz der 3. Großen Koalitionsregierung, die sich erst nach dreimonatiger Regierungsunfähigkeit als „Notlösungsgemeinschaft“ konstituieren konnte – gegen die Ablehnung der gesellschaftlichen Mehrheit einer Fortsetzung der verhassten Agenda-Politik durch die angeschlagene „Weiter-so“- Große Koalition.
Die deutschen Unternehmer haben die Bilanz der ersten 100-Tage der 3. Großen Koalitionsregierung genutzt, um von der Groko die Überwindung des „Reformstaus“ zugunsten einer schärferen Agenda-Politik einzufordern und sich dafür „zusammenzuraufen“. „Deutsch-land kann sich (angesichts des Handelskrieges, von Kriegen und Krisen in aller Welt sowie der Euro-Krise) keine Regierungskrise leisten“, kommt es beunruhigt und warnend aus dem Unternehmerlager (s. Handelsblatt, 21.6.)
Eine sehr geschwächte Kanzlerin Merkel muss auf die SPD setzen, um diesem Auftrag gerecht werden zu können. Und die alte SPD-Führung, eingeschworen auf die Umsetzung der Agenda-Politik, ist bereit unter Andrea Nahles diesen Kurs zu halten – bis zur Selbstzerfleischung.
Während die CSU ihrem weiteren Niedergang durch die Flüchtlings-Hetze zu begegnen versucht, bleibt Merkel und der SPD nur der schon in der vorangegangenen GroKo gescheiterte Etikettenschwindel mit den betrügerischen Korrekturen an der Agenda, um die fortschreitende Ablehnung zumindest zu bremsen.
Die Koalitionsparteien haben sich jetzt u.a. über die Einführung des Baukindergeldes verständigt und das Kabinett hat die Erhöhung des Kindergeldes beschlossen. Diese trügerischen Korrekturmaßnahmen können aber wohl kaum jemanden über die Realität der Fortsetzung der knallharten Agenda-Politik hinwegtäuschen. Mit dem Baukindergeld werden die Besserverdienenden beschenkt, während die GroKo trotz der katastrophalen Not bei den Sozialwohnungen an der Absage an eine staatlich finanzierte soziale Wohnungspolitik festhält.
Die geplant Kindergelderhöhung um zehn Euro pro Monat ab Juli 2019, die auch noch auf Hartz IV angerechnet wird, ist nicht annähernd geeignet, die zunehmende Kinderarmut einzudämmen. Dieses Versprechen kann nicht kaschieren, dass diese Regierung nicht an Hartz IV rütteln will und damit die Kinderarmut fördert; oder dass Milliarden fehlen zur ausreichenden Finanzierung von Kitas, Schulen, Lehrer…
Die große Mehrheit des Volkes will, dass endlich Schluss gemacht wird mit der zerstörerischen Agenda-Politik. Für alle Parteien und jede Regierung, die dagegen handeln, bleibt dieses Land unregierbar, so wie es schon in anderen Ländern der EU der Fall ist. Eine politische Perspektive kann es nur auf der Grundlage des Bruchs mit der Agenda-Politik geben.
In der SPD regt sich Widerstand für den Bruch mit der alten Agenda-Führung der Partei vor allem in NRW, wo schon besonders zahlreiche SPD-Verantwortliche Nein zur GroKo gesagt hatten. Sebastian Hartmann, der auf dem SPD-Landesparteitag am 23. Juni zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, kritisiert die Schuldenbremse: Sie „darf nicht Grund für die Streichung sozialer Investitionen sein. Umgekehrt ist richtig: Einnahmen sind Verfassungsrang.“ Und zu den Hartz-Reformen von Schröder: Die SPD müsse „den Mut haben, für eine konsequent Alternative zu streiten.“ Es geht um den Sozialstaat. Ein SPD-Ratsherr aus Essen weist daraufhin, dass mit der Durchsetzung der Agenda 2010 durch Schröder die Stimmung unter den SPD-Stammwählern in „Verbitterung“ umgeschlagen sei. Im Ruhrgebiet kann die AfD bis zu 20% oder auch mehr Proteststimmen einfangen. Der SPD hat die Agenda-Politik im Ruhrgebiet das Kreuz gebrochen, so die Position vieler GenossInnen in NRW, deren Wille zum Bruch mit der alten Agenda-Führung der Partei sich schon im April in der Wahl von Thomas Kutschaty, Gegner der GroKo, zum SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag manifestiert hatte.
Das sind Zeugnisse des Widerstands, die unbedingt zu unterstützen sind.
Die ArbeitnehmerInnen, die in der SPD nicht mehr ihre politische Interessenvertretung erkennen können, greifen zunehmend zu ihren Gewerkschaften, um mit ihrer stärksten Waffe, dem Streik, für ihre Forderungen zu kämpfen. Jetzt haben die Arbeiter des Autozulieferers NHG mit der IG Metall den Streik gegen die drohende Schließung des Standortes in Leipzig und die geplanten Entlassungen in Saarbrücken aufgenommen und damit die Respektierung des Streikverbots gegen Entlassungen durchbrochen. Die Aufforderung des Unternehmers an die IG Metall, „sofort jegliche unrechtmäßigen Handlungen (…) einzustellen und auf den Boden von Recht und Gesetz zurückzukehren“, hat der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Leipzig, Bernd Kruppa, zurückgewiesen: Man streike weiter gegen den Arbeitsplatzabbau.
Die ver.di-Führung lehnt einen flächendeckenden Erzwingungsstreik für die zusätzliche Finanzierung des fehlenden Personals in der Kranken- und Altenpflege ab und bettelt bei dem jetzigen Gesundheitsminister der GroKo, Spahn, trotz aller bisherigen Erfahrungen schon in der 2. GroKo, um politische Maßnahmen – wohlwissend, dass Spahn ver.di mit nicht mehr als einem Trostpflaster abspeisen wird.
Das kann bei den KollegInnen nur auf völliges Unverständnis stoßen. Sie lassen sich nicht abhalten von ausweitenden Streiks für „mehr Personal“ und brechen damit das Streikverbot. Sie erwarten von ihrer Gewerkschaft, dass sie diese Kämpfe zusammenfasst und organisiert, bis hin zum Erzwingungsstreik.
Carla Boulboullé, 28. Juni 2018
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