Die Berliner Initiative für „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, d.h. für die Enteignung der privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit über 3000 Wohnungen im Land Berlin, konnte in etwa einer Woche de facto die 20.000 notwendigen Unterschriften für die erste Stufe des Volksbegehrens sammeln. Darin drückt sich die Wut breitester Bevölkerungsschichten über Wohnungsnot und Mietpreisexplosion aus.
Die Angebotsmieten bei Neuvermietung schossen in Berlin in den letzten 5 Jahren um 24,5 Prozent nach oben, die ortsübliche Vergleichsmiete (die nicht nur aus Neumieten, sondern auch aus den Bestandsmieten abgeleitet wird) stieg immerhin um 15,3 Prozent an. Diese Preisexplosion entspricht in keiner Weise der Lohnentwicklung, da ein immer größerer Teil der Arbeitnehmer Reallohnsenkungen hinnehmen muss.
Die Wut fokussiert sich auf die großen Wohnungskonzerne, die Immobilienspekulanten. Die allgemeine Ursache für Wohnungsnot und die in deren Folge horrenden Mietsteigerungen, sowie fehlende bezahlbare Wohnungen, liegt in der Politik des Bundes, der Länder und Kommunen. Unter dem Druck der mit der Agenda-Politik diktierten Sparpolitik und ihrer verfassungsrechtlichen Festschreibung über die Schuldenbremse haben sie nicht nur endgültig vom sozialen Wohnungsbau Abschied genommen.
Auch die Privatisierungswelle von Wohnungsbeständen aus Bundes- und Landeseigentum und der Verkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wurde von allen in den Parlamenten vertretenen Parteien mit der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung begründet. Um die Haushaltsverschuldung abzubauen, lieferten sie den Wohnungsmarkt an Immobilienspekulanten und Fonds aus, die in ihrer Renditejagd zunehmend nach deutschen Immobilien greifen, weil ihnen hier schnelle Rendite garantiert wird.
So verramschte 2004 die SPD/PDS – Koalition in Berlin die damals größte Berliner Wohnungsbaugesellschaft, die GSW, für 400 Millionen Euro, die 2013 von „Deutsche Wohnen“ übernommen wurde.
So ist es nur zu verständlich, dass sich der Zorn vor allem gegen die Wohnungskonzerne und Immobilienhaie richtet, die die Wohnungsnot für ihre unersättliche Bereicherung nutzen. Die von ihnen provozierte Mietpreisexplosion wurde gleichzeitig zum Motor für Mieterhöhungen, die immer mehr Menschen in die Armut und aus ihren Wohnungen treiben. Wobei nirgends die Mieten rasanter steigen als in Berlin
100.000e gehen in vielen Städten Deutschlands gegen die unerträgliche Wohnungsnot auf die Straße. In Berlin waren es am 6.4. 19 allein 40.000. In dieser Situation war der Ansturm auf die Unterzeichnung des Volksbegehrens für die Forderung nach Enteignung großer Wohnungskonzerne enorm.
Auf großen Unmut stößt bei vielen Bürgern gleichzeitig jedoch das Vorhaben der Träger der Initiative des Volksbegehrens, die Wohnungsunternehmen im Falle der Enteignung zu entschädigen. Damit haben die Initiatoren den rot-rot-grünen Senatsparteien nicht nur willkommene Argumente für die demagogische Diskreditierung der Enteignung geliefert, sondern erlauben diesen auch noch, sich dem Zugriff des Mehrheitswillens der Bevölkerung zu entziehen.
Denn erstens
bringt eine Enteignung allein nicht die Lösung. Notwendig sind gleichzeitig politische Maßnahmen von Seiten des Senats, die eine Mietpreissenkung und den anschließenden Mietstopp garantieren;
und zweitens
ist es skandalös, dass den Miethaien, nachdem sie mit rücksichtsloser Profitgier Milliarden und Abermilliarden bei den Mietern abgepresst haben, jetzt mit einer „Entschädigung“ weitere milliardenschwere Zusatzprofite in den Rachen geworfen werden sollen. Damit verlangen sie nichts anderes als die Plünderung des öffentlichen Haushaltes auf Kosten der Finanzierung drängender sozialer Aufgaben bis hin zum sozialen Wohnungsbau.
Zusammengefasst: Es war die rigide Sparpolitik, die dazu geführt hat, den staatlichen sozialen Wohnungsbau zu liquidieren, den öffentlichen Wohnungsbestand und die Wohnungsbaugesellschaften der Privatisierung auszuliefern und damit dem ungezügelten Gewinnstreben der Wohnungskonzerne den notwendigen Spielraum zu geben.
Kann es eine andere Antwort geben als die des staatlichen Eingreifens, um den Wohnungskonzernen die Macht zu nehmen, die Mietpreise ungebremst in die Höhen zu treiben, auf Kosten des „Rechts für jeden Menschen auf angemessenen Wohnraum“ (Berliner Verfassung).
Zur Diskussion vorgeschlagen sind die Forderungen:
- staatliche Mietsenkung und ein Mietenstopp (ein Mietendeckel), der bezahlbare Mieten erzwingt;
- staatliche Finanzierung von staatlichem Sozialwohnungsbau auf allen Ebenen; (nicht nur Förderung des privaten Mietwohnungsbaus);
- staatliche Kontrolle der Mietpreise für das Kleingewerbe.
Im Falle des Widerstands von Wohnungskonzernen und Fonds gegen staatliche Eingriffe zum Schutz der Mieter bleibt nur die entschädigungslose Enteignung!
Für eine solche Politik findet sich keine der „etablierten“ Parteien. Sie alle respektieren die Schuldenbremse und unterwerfen sich dem Recht der Entscheidungsfreiheit der öffentlichen wie privaten Unternehmer, im Namen der Notwendigkeit höchstmöglicher wettbewerbsfähiger Rendite/Profite.
Die SPD-Vorsitzende Nahles, die die Sparpolitik gegen den sozialen Wohnungsbau mit vorangetrieben hat, versucht aus Angst vor der Empörung der Massen abzuwiegeln. Und sie wagt es, mit dem Hinweis, das „schafft keine einzige Wohnung“, gegen die Enteignung zu polemisieren. Die Unterstützung des Volksbegehrens für die „Enteignung“ ermöglicht es der Linken, die sich dem „Rückkauf“ verschrieben hat, sich hinter dem Feigenblatt angeblicher sozialer Politik zu verstecken. Ähnliches gilt auch für die Grünen. Unvermeidbare Folge eines milliardenschweren Rückkaufs, finanziert aus dem öffentlichen Haushalt, wäre die weitere Verschärfung der Kaputtsparpolitik gegen die Krankenhäuser, Schulen, öffentliche Nahverkehr… und die fortgesetzte Verweigerung eines öffentlich finanzierten sozialen Wohnungsbaus.
Der CSU-Vorsitzende Söder, der wie die CDU die Enteignung ablehnt, verurteilt die Forderung als „verfassungswidrig“ und als „überholten Sozialismus“ (s. dazu auch Artikel auf S. 4)- Wird er bereit sein, so auch das Handeln der Treuhand und des westdeutschen Kapitals zu charakterisieren, die zum Teil für den symbolischen Kaufpreis von 1 DM massenhaft Betriebe enteignet, privatisiert und liquidiert haben?
Wie kann die Erhebung für das Recht auf Wohnen zum Erfolg führen?
Die Hunderttausende, die ihre berechtigte Wut über die Wohnungsnot auf die Straße getragen haben, werden die Verbindung suchen mit der großen gesellschaftlichen Mehrheit und ihrem Willen, Schluss zu machen mit der Agenda-Politik, dem Kaputtsparen und der Deregulierung – die allein den Profitinteressen des Kapitals dient.
Arbeitnehmer, Gewerkschafter und politisch Engagierte laden ein, sich in politischen Arbeitskreisen zu versammeln und zu diskutieren, um so zu helfen, dass sich dieser Widerstand gegen die Agenda-Politik als politische Kraft herausbilden kann. Carla Boulboullé
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