Coronavirus trifft auf kaputtgesparte Krankenhäusern

Der weltweite Absturz der Börsen um über 12 % signalisiert die Panik auf den internationalen Finanzmärkten. Die Vertreter der Hochfinanz fürchten, dass die Corona-Epidemie zum Auslöser für den Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems und für den Sturz der Weltwirtschaft in die Rezession werden könnte.

Abhängig von starkem Export und reibungslos funktionierenden internationalen Produktions- und Lieferketten fürchten in Deutschland führende Vertreter des Kapitals und der Regierung das endgültige Abrutschen der Wirtschaft in die Rezession und das Schrumpfen des Wirtschaftswachstums.

Scholz (SPD), Altmaier (CDU) und Heil (SPD), Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsminister der Großen Koalition, verkünden täglich neue Pläne für Konjunkturprogramme und Maßnahmen wie Steuer- und Sozialabgaben- „Erleichterungen“ zur Rettung für Unternehmen. Dafür existiert keine Grenze durch die Schuldenbremse.

Für den Ausfall der Produktion, z.B. durch Kurzarbeit, werden den Unternehmen Subventionen und „Entlastungen“ in vielfältiger Form in Aussicht gestellt, die ihnen ihren wettbewerbsfähigen Profit garantieren. Die Beschäftigten finanzieren ihren Lohnausfall bei Kurzarbeit im Wesentlichen selbst, aus der Kasse ihrer Arbeitslosenversicherung. Für ihr Effektiv-Einkommen bleibt in jedem Fall ein Minus. Dieses Minus bleibt auch, trotz GKV und Lohnfortzahlung, bei allen vom Virus direkt oder von Maßnahmen gegen dessen Ausweitung (Quarantäne…) Betroffenen.

Die Minister der Großen Koalition überschlagen sich mit Phrasen darüber, dass „unser Land“ bestens gerüstet sei. In der Realität jedoch geht die größte Bedrohung davon aus, dass Corona „in unserem Lande“ auf kaputtgesparte soziale Infrastruktur und Kommunen und auf Krankenhäuser mit Personalnotstand trifft. Und auf unterfinanzierte Krankenkassen, denen durch die Ausweitung der Niedriglöhne und Billigjobs die Beitragseinnahmen wegbrechen und die Gesundheitsminister Spahn (CDU) unter anderem durch Abwälzung der Kosten von Notmaßnahmen gegen die Personalnot erstmalig in ein Defizit getrieben hat.

Corona trifft also auf die Berliner Charité, die mit ca. 18.000 Beschäftigten größte Universitätsklinik Europas. Die hatte gerade für ihre Kinderkrebsklinik einen Aufnahmestopp verkündet, wegen Personalmangels.

Das Virus trifft auf den erneuten Streik (s. „Soziale Politik & Demokratie“, Nr. 426 und ab S. 4 in dieser Ausgabe) der über 3000 Beschäftigten der Charité-Tochter CFM, in der die „Nichtmedizinischen und Nichtpflegerischen Dienstleistungen“ zusammengefasst sind.

Diese tariflosen (!), von der Berliner Landesregierung ausgegliederten Kolleg*innen streiken mit vier Warnstreiks für die Rückeroberung des TVöD und ihre Rückführung in die Mutter Charité.

Sie streiken gegen die rot-rot-grüne Landesregierung – den eigentlichen Arbeitgeber – die verantwortlich ist für Investitionsstau, Ausgliederungen und Tarifflucht und für die Verweigerung von zusätzlichen, den Sparhaushalt überschreitenden, Finanzmitteln für mehr Personal entsprechend dem von den Beschäftigten festgestellten Bedarf.

Entscheidung für die Aussetzung des Streiks und der Tarifverhandlungen

Anfang März gab es den ersten bestätigten Fall eines mit dem Coronavirus infizierten Patienten, der in der Charité stationär behandelt wird. Die Kolleg*innen der Rettungsstelle wurden unter Quarantäne gestellt.

In dieser Situation hat die gewerkschaftlichen Tarifkommission und Streikleitung ihre Verantwortung wahrgenommen und für die vorübergehende Aussetzung des Streiks sowie der Tarifverhandlungen gestimmt.

In ihrem Streik sehen die Kolleg*innen der CFM das beste Instrument, um die Bedingungen für den gemeinsamen Kampf der gesamten Belegschaft der Charité für die genannten Forderungen vorzubereiten.

Die Beschäftigten der Charité haben ihre Erfahrung gemacht mit dem von ihnen erkämpften Tarifvertrag für mehr Personal / Entlastung, der nur zu völlig unzureichenden Ergebnisse geführt hat.

Inzwischen ist sichtbar, dass die Geschäftsführung und der Senat, nicht einmal diese vertraglich vereinbarten Vorgaben einhält.

Die ähnliche Erfahrung machen die Kolleg*innen mit den voneinander isolierten und zeitlich weit auseinanderliegenden Streiks von inzwischen 13 Universitätskliniken. Die sorgen dafür, dass Druck aus dem Kessel gelassen wird.

Deshalb wollen gewerkschaftlichen , Kolleg*innen, dass der gemeinsame Kampf und gegebenenfalls Streik der Charité für die Gewerkschaft Pilotcharakter erhält für die Vorbereitung eines flächendeckenden, z.B. landesweiten Tarifkampfes und Arbeitskampfes der Krankenhäuser für mehr Personal.

„Wir fordern und kämpfen für ausreichende Investitionen in den Krankenhäusern entsprechend der gesetzlichen Vorgaben für Investitionen; zusätzliche (außerhalb des Sparhaushaltes zu mobilisierende) Finanzmittel der Bundesregierung für mehr Personal in allen Bereichen der Krankenhäuser, entsprechend des von den Kolleg*innen und ver.di angegebenen erforderlichen Bedarfes….“, so heißt es in einem Flugblatt des „Politischen Arbeitskreises Gesundheit“ – in Verbindung mit der Zeitung „Soziale Politik & Demokratie“.

Und es stellt zur Diskussion: „Muss nicht unsere Gewerkschaft ver.di zum flächendeckenden Erzwingungsstreik für die genannte Forderung von mehr Personal aufrufen, in den Krankenhäusern und der Pflege? Die Landesregierungen sind aufgefordert, gegebenenfalls mehr Personal vorzufinanzieren und die Mittel bei der Bundesregierung einzufordern.“

Der Streik der Kolleg*innen der Charité-Tochter CFM, sowie der politische Kampf des „Politische Arbeitskreis Gesundheit“ sind ein verantwortliches Handeln für das gesellschaftliche Grundrecht auf Schutz und Versorgung gegen Krankheit und Epidemie.

Die Regierenden in Bund und Ländern, die die Erfüllung der Forderungen der Beschäftigten ablehnen und ihren Streik verbieten wollen, die weiterhin die notwendigen Finanzmittel gegen Personalnotstand und Investitionsstau unter dem Diktat von Schuldenbremse und Senkung der Personal/Pflegekosten verweigern, beschädigen diese vom Grundgesetz garantierten gesellschaftlichen Grundrechte.

Gotthard Krupp

 

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