In Baden-Württemberg, wo die CDU 58 Jahre lang den Ministerpräsidenten gestellt hat, verliert sie mit 24,1% 279.000 Stimmern, in Rheinland-Pfalz mit 142.000 gleich 27,7%. Der aufgebrochene ausufernde Korruptionsskandal um Abgeordnete und Führungspersonal der Union konnte bei dem hohen Anteil von Briefwählern nicht wirklich zu Buche schlagen.
Die bisher schlechtesten Ergebnisse in diesen Landtagswahlen eröffnen eine neue Phase der schon länger schwelenden Krise der CDU, die Phase ihres Niedergangs. Trotz ihres regional begrenzten Charakters ist das die historische Bedeutung dieser Wahlen. Auch die Parteiführung fürchtet die Fortsetzung dieses Niedergangs der CDU in den bevorstehenden vier Landtagswahlen und der Bundestagswahl im September.
Als Hauptpartei der deutschen Bourgeoisie hat die Union seit 32 Jahren – mit kurzer Unterbrechung durch die Schröder-Regierung – als Führungspartei die Regierungspolitik bestimmt. Jetzt hat die Umwälzung des Kräfteverhältnisses zwischen den Parteien für die Neuwahlen im September die Möglichkeit einer Regierung ohne ihre Beteiligung eröffnet.
In Verbindung mit dem fortgesetzten Zerstörungsprozess der SPD sorgt der Niedergang der CDU für eine tiefgreifende Destabilisierung des historischen Parteiensystems der BRD. Unter diesen Bedingungen blicken die politisch Herrschenden, nicht nur in Deutschland, in ohnmächtiger Sorge auf den Wahltag des 26. September, an dem die Große Koalition und Merkel von der politischen Bühne verschwinden.
Die Wahl Laschets zum Parteivorsitzenden und seine eventuelle Kanzlerkandidatur haben weder die Führungs- noch Orientierungskrise der CDU gelöst. Stattdessen startet Laschet mit dem zweifachen Wahldesaster.
Neben dem Absturz der CDU werden die beiden Wahlen von der kräftig steigenden Zahl der Wahlverweigerer geprägt. Steigerung um 6,6% auf 510.000 in Baden-Württemberg und um 6% auf 203.000 im kleineren Rheinland-Pfalz. Ein großer Teil der Stimmen, die bislang ihren Protest gegen die fünf etablierten Parteien über die AfD-Wahl zum Ausdruck brachten, hat jetzt den Weg der Wahlverweigerung gesucht.
Die Verluste von CDU und SPD und diese gleichzeitig verstärkte Wahlverweigerung bedeuten eine weitere Schwächung der Großen Koalition (die von Anfang an weder über eine soziale noch politische Mehrheit in der Gesellschaft verfügte), deren Politik der Nationalen Union sich auf den politischen „Grundkonsens“ aller fünf etablierten Parteien stützt.
Der Niedergang der CDU wird zum Niedergang von Merkel und der Großen Koalition, in deren Endphase bis September. Das erklärt zusätzlich den Horror der politisch Herrschenden vor diesen Neuwahlen.
Die verstärkte Ablehnung von Union und auch SPD, der Großen Koalition und des gesamten Parteiensystems, speist sich aus mehreren Quellen. Da sind zunächst die im Namen von Corona diktierten Notverordnungen zur Unterdrückung aller individuellen Grundrechte und Freiheiten. Dann die Nutzung der Pandemie für eine weitergehende soziale Zerstörung: Schließung von Krankenhäusern, Schulen und Universitäten, Verweigerung der notwendigen Finanzmittel gegen deren dramatische Personalnot. Fehlen und Verzögerung der erforderlichen Schutzausrüstungen, von Masken, Tests, Impfstoff; sie fallen der Kaputtsparpolitik einerseits und andererseits der Bereicherung der Konzerne, Banken und Finanzinvestoren zum Opfer.
Regierung und Kapital blasen zur Förderung von Profit und Rendite zum Großangriff auf die Lohnkosten. Erstmals sinkt der Reallohn im Durchschnitt für die Gesamtzahl der 45 Millionen Beschäftigten. Tarifflucht in jeder Form zersetzt die Flächentarifverträge, die zentrale sozialstaatliche Errungenschaft der Arbeiterschaft in Deutschland. Massenentlassungen und Betriebsschließungen, dazu eine brutale Deregulierung der Arbeitsverhältnisse zwingen auch eine ganze Schicht der Industriearbeiterschaft in den Niedriglohnsektor und Hartz-IV.
In ihrer Endphase ist die Große Koalition dabei, die traditionelle soziale und politische Stabilität der BRD gründlich zu torpedieren. Doch sie nährt damit den Reifungsprozess der Erhebung des arbeitenden Volkes und der Jugend.
Um sich gegen die soziale Kahlschlagpolitik zu verteidigen, greifen die Beschäftigten von Krankenhäusern, Einzelhandel… nach ihren Gewerkschaften, durchbrechen das Streikverbot und kämpfen für mehr Personal, für die (Rück-)Eroberung des Flächentarifvertrages und gegen die Privatisierungen.
Im Konflikt mit ihrer Gewerkschaftsführung mobilisieren sich 430.000 Metaller in Warnstreiks für eine reale Tariflohnerhöhung – gegen das Arbeitgeberultimatum der „tariflichen Nullrunde“ und die grundsätzliche Lohnkostensenkung durch Tarifflucht.
Im ganzen Land brechen Kämpfe und Aktionen von Schülern, Lehrern, Eltern und von Studenten auf für die Öffnung und Verteidigung von Schule, Unterricht und Universität.
Nach einer Serie von Demonstrationen in Großstädten gegen die Notverordnungs- und Disziplinierungsmaßnahmen versammeln sich nach einem Aufruf von Querdenken 20.000 Teilnehmer auf der nationalen Demonstration in Kassel am 20. März, unter starker Beteiligung der Jugend und aus den östlichen Bundesländern.
Wie schon im letzten Jahr wird diese Demonstration von der Regierung, von allen etablierten Parteien und den Medien, wie auch von den Gewerkschaftsführungen als „rechts“ bis „rechtsextrem dominiert“ und „antidemokratisch“ verurteilt. Und das im Namen der Einheit aller Demokraten mit der Regierung gegen rechts.
Durch die DGB-Führung, die sich als wichtigster Unterstützer von Merkels GroKo-Regierung profiliert, werden Arbeiterschaft und Jugend daran gehindert, ihre Kämpfe in dem Willen zu vereinen, dass endlich Schluss sein muss mit der Merkel-GroKo, Schluss mit der Regierung der Unterdrückung der Demokratie und der sozialen Zerstörung.
Carla Boulboullé, 23.3.2021
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