Das Mandat

Mit einem Alarmbrief vom 11. Februar 2013 wendet sich die IG Metall Vertrauenskörper-Leitung Opel Bochum an ihre Gewerkschaftsführung in Bochum und des Bezirks NRW. Die IG Metall Mitglieder in Bochum seien alarmiert darüber, „dass die IG Metall (…) mit der Resolution der betrieblichen Tarifkommission vom 29. Januar die Schließung der Fahrzeugproduktion in Bochum kampflos hinnehmen werde…“.

Am 10. 12. 2012 hatte GM, der Mutterkonzern von Opel, seine Entscheidung verkündet, die Fahrzeugproduktion Opel Bochum 2016 stillzulegen. Was den bis dahin laufenden Verhandlungen der IG Metall mit Opel jede Grundlage entzog.

Am 12.12.2012 wies die Zentrale Tarifkommission Opel in einer Erklärung dieses Entscheidungsdiktat zurück: „Wer heute ein Werk schließen will, der will morgen ein zweites oder drittes Werk schließen. Dies wird die IG Metall weder heute noch morgen akzeptieren.“ Sie erteilte dem IG Metall Vorstand ein Verhandlungsmandat für „Produktion am Standort Bochum und Beschäftigungsgarantien über 2016 hinaus.“

Die Bochumer IG Metall Mitglieder werfen nun dem Vorstandsvorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber, in dem Alarmbrief vor, entgegen diesem Mandat Verhandlungen auf der Grundlage der Akzeptierung der Schließungsentscheidung von GM zu führen: „Die Schließung der Fahrzeugproduktion in Bochum zugunsten nebulöser Aussichten auf eine Handvoll Ersatzarbeitsplätze zu opfern und möglichst ohne nennenswerte Kämpfe und Protest umzusetzen.“

In den weiteren „Verhandlungen“ ließ GM dem Schließungsdiktat weitere Ultimaten folgen: die Aussetzung der Tariferhöhung um 4,3% für alle Opel Werke, sowie die Verlagerung ganzer Werksteile von Opel Rüsselsheim. Der aufbrechende Widerstand erfasste nun auch Kräfte der Zentralen Tarifkommission, die sich noch am 29. Januar mit ihrer Resolution der Verhandlungsführung von Huber untergeordnet hatten. Die „Verhandlungen“ drohen jetzt zu platzen.

GM will ultimativ die Verhandlungen „bis Ende Februar“ zum Ergebnis bringen. Huber hat als Vorstandsvorsitzender der IG Metall schon seine Bereitschaft erklärt, eine Aussetzung der Tariferhöhung könne durch das „Pforzheimer Abkommen“ (*) abgedeckt werden.

Der Alarmaufruf der Vertrauenskörper- Leitung treibt die Diskussion in der Gewerkschaft voran und hat eine neue Situation geschaffen (siehe Artikel in dieser Ausgabe).

Die Bochumer Metaller und Vertrauensleute sehen in ihrem Brief „überhaupt keinen Grund, warum wir auf nur einen einzigen Arbeitsplatz sowie unsere Löhne verzichten sollten, (…) wodurch der Flächentarifvertrag unterlaufen wird, (was) eine Gefahr für alle Arbeitnehmer darstellt.“

GM diktiert die Schließung von Opel Bochum im Namen der Wettbewerbsfähigkeit. Die Führung der IG Metall, die diese Schließung als unausweichliches Opfer für die Wettbewerbsfähigkeit akzeptiert, spaltet die Opel-Belegschaften und auch ihre Gewerkschaft… ganz im Sinne der Konzernleitung. Die Bochumer IG Metall Mitglieder rufen deshalb die Gewerkschaftsführung zur Verantwortung, „die Einheit der Belegschaften in den unterschiedlichen Standorten gegen die Pläne des Konzerns zu organisieren und den Spaltungsversuchen durch das Management entgegenzutreten.“

Die KollegInnen wissen, dass die Einheit aller Opelbeschäftigten aller Standorte im Kampf mit ihrer Gewerkschaft nur auf der Grundlage der gemeinsamen Forderungen verwirklicht werden kann: Der Verteidigung aller Arbeitsplätze aller Standorte und des Flächentarifvertrags. Aber sie fragen und diskutieren darüber, wie und welche Kraft die Wende im Kampf gegen die Entscheidung und Ultimaten von GM erkämpfen kann?

Zunehmend fordern die Gewerkschaftsmitglieder den Streik. Sie sehen sich aber durch das „deutsche Streikrecht“, wie sie in dem Alarmbrief formulieren, gehemmt.

Was hindert die Gewerkschaftsführung daran, für die Verteidigung von Arbeitsplätzen und Produktion und des Flächentarifvertrags mit dem Streik das stärkste Kampfmittel einzusetzen, über das die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaft verfügen?

Wie lange wollen sie noch akzeptieren, dass in Deutschland das Streikrecht der Gewerkschaften im Kampf gegen Entscheidungen der Unternehmen und öffentlichen Arbeitgeber über Entlassungen, Schließungen und Privatisierungen durch eine richterliche Rechtsprechung unterdrückt wird, die in Wirklichkeit eine Unrechtsprechung ist?

Die TeilnehmerInnen und VertreterInnen der Politischen Initiativen auf der bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz am 26. Januar in Berlin haben sich dafür engagiert, in Respektierung des spezifischen Platzes und Auftrags der Gewerkschaften, für die Verteidigung und Rückeroberung des vom Grundgesetz garantierten uneingeschränkten Rechts auf gewerkschaftlichen Streik einzutreten.

Und für die Verteidigung der Arbeitsplätze und Betriebe sowie der Tarifforderungen und freien Tarifverhandlungen in den aktuellen großen Tarifkämpfen gegen die Zwänge der Schuldenbremse und der Wettbewerbsfähigkeit, die Lohnverzicht, Entlassungen und Betriebsschließungen diktieren.

Carla Boulboullé

(*) Abkommen zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Metall, das Öffnungen und Abweichungen vom Flächentarifvertrag für Betriebe ermöglicht.


Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 294 vom 28. Februar 2013

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