Der von der GroKo unter Merkel jahrelang aufgehäufte soziale und politische Sprengstoff entlädt sich nicht nur in der dramatisch zunehmenden Ablehnung der Wähler, sondern auch in konzentrierter Form an diesem 1. Mai in Berlin in einer Vielzahl von Massendemonstrationen und Kundgebungen. Die große Mehrheit, vor allem der Massendemonstrationen, hat sich spontan entfaltet, vorbei und außerhalb der Gewerkschaften, die traditionell die 1. Mai-Demonstrationen organisieren.
Die Versammlung der 25.000 auf dem Hermannplatz und der Demonstrationszug „Revolutionärer 1. Mai“ vertraten im Wesentlichen alle Forderungen, die wir schon in dem Artikel zum 1. Mai in der letzten „Sozialen Politik & Demokratie“ genannt haben. Sie richteten sich alle, wie es ein Veranstalter gesagt hat, gegen „Ausbeutung und Unterdrückung“ durch die Regierungspolitik im Dienste der Interessen des Kapitals.
Das gesetzlich geregelte Demonstrationsrecht ist Bestandteil der vom GG garantierten „Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel“. Versammlungsfreiheit und Demonstrationsrecht wurden durch politische und polizeiliche Diktate und Gewaltmaßnahmen sowie durch geplante Provokationen mit Füßen getreten.
Dieser spezifische Beitrag zur „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ hat die Aufgabe aufzuzeigen, mit welchen Mitteln politisch Verantwortliche und Polizeieinsatzleitungen alles getan haben, um die freie Entfaltung dieses machtvollen Widerstands gegen die Regierungspolitik zu ersticken – was ihnen aber nicht gelang.
… strategisch geplant
Wir stützen uns auf die Berichte der „Kritischen Demokratiebeobachtung Berlin“ und der „Kritischen Jurist*innen FU“.
1. Schon vor dem 1. Mai hat die Polizei das gesamte Gebiet des Demozuges durch Absperrgitter umzäunt. Der Zugang wurde polizeilich überwacht und kontrolliert. Das schon war ein Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit.
2. Die vom Hermannplatz ausgehende Demonstration sollte zum Oranienplatz führen. Lange vor Erreichen dieses Ziels wurde die Demonstration von der Polizei zwangsaufgelöst.
3. Politik und Polizei haben lange vorher die ganze Demonstrationsstrecke politisch-strategisch geplant.
Dazu haben sie die Strecke inspiziert. Das beinhaltete eine bewusste Planung der Probleme, die mit diesem Streckenverlauf zwangsläufig kommen musste. Dazu gehört der Plan, Gelegenheiten für das gewaltsame Eingreifen der Polizei zu schaffen, die nachträglich gerechtfertigt wurden mit der Lüge, dass die Corona-Schutzregeln missachtet worden seien. Zur Planung gehörte auch, dass es immer wieder zu Staus kommen sollte, sowohl wegen der verengten Straßen als auch wegen fehlender Verkehrssicherung durch die Polizei, was die Gelegenheit für gewaltsames Eingreifen der Polizei liefern sollte.
4. a) Die entscheidende Engstelle war die Großbaustelle in der Karl-Marx-Straße. Wir erinnern, auch sie war der politischen und polizeilichen Einsatzleitung bekannt. Auch diese hatten sie inspiziert. Vor dieser Engstelle bildete sich ein großer Rückstau für den gesamten Demozug. Die Abstände konnten nicht mehr gehalten werden, da die Demonstranten von hinten, sowohl vom Schluss der Demo, aber auch durch begleitende Fahrzeuge der Polizei in der Mitte, weiter vorangedrängt wurden
4. b) Nachdem ca. die Hälfte der Demonstranten durch die Engstelle geschleust war, sperrte hinter der Baustalle eine Polizeikette die hintere Hälfte der Demo ab. Die Demonstration wurde gespalten. Zugleich wurden die Polizeikräfte für beide Hälften der Demo enorm verstärkt. Zur Rechtfertigung verwies die Einsatzleitung erneut auf angebliche Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz.
4. c) Die Polizei erstürmt den Lautsprecherwagen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Es kommt zu ersten Verletzten und Festnahmen.
4. d) Zu diesem Zeitpunkt wurde der vordere Demozug gestoppt und zugleich nach hinten zusammengedrängt. Die Forderung von Demonstranten durch Entzerrung nach vorn wieder für mehr Abstand zu sorgen, lehnte die Polizei aus „taktischen Gründen“ ab.
4. e) Nach vierzig Minuten Stillstand gab die Polizei um 20.30 Uhr für den vorderen Teil die Demonstration wieder frei. Zugleich öffnete die an der Spitze marschierende Polizeikette den Weg für heranstürmende Spezialkräfte der Polizei, die auf die Demonstranten einschlugen. Es kam zu neuen Verletzten und Festnahmen. Das geschah ohne jede Ankündigung und Angabe von Gründen, auch durch den Polizeipräsidenten nach der Demo.
4. f) Zur gleichen Zeit wollten im hinteren Teil der Demo vor allem Frauen mit Kinderwagen usw. die in der engen Straße zusammengedrängte Demo verlassen. Auch sie wurden durch die Polizei daran gehindert, sowie jedes Verlassen der Demo durch die Polizei verhindert wurde.
5. Ca. um 19.50 Uhr begann die Polizei den nach vierzig-minütigem Stopp wieder in Bewegung gekommenen vorderen Demonstrationsteil – nochmals: entgegen Versammlungsfreiheit und Demonstrationsrecht – mit brutaler Gewalt aufzulösen. Dafür konzentrierte sie ihre Polizeigewalt vor allem auf den vorderen Block an der Spitze der Demo.
Die Polizeipräsidentin Barbara Slovik erklärte später mit der verlogenen Behauptung, die Auflösung habe begonnen, weil der „Schwarze Block“ die Infektionsgesetzschutzmaßnahmen nicht respektiert habe. Der „Schwarze Block“ befand sich im abgespaltenen hinteren Teil der Demo. Der gewaltsame Sturm auf den Wagen „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ fand aber im vorderen Teil der Demo statt. Der darauffolgende Angriff der Polizei auf die Spitze des Demozuges für die gewaltsame Auflösung geschah also auch dort, wo sich kein „Schwarzer Block“ befand.
Zudem artete der Angriff auf den Schwarzen Block aus in einer brutalen Schlägerei der Polizei gegen das ganze Umfeld der Demonstrationsteilnehmer sowie gegen unbeteiligte Passanten. Das führte zu einer Vielzahl von Verletzten und Festnahmen.
6. Gegen 20.30 Uhr begann die endgültige Zerschlagung der Demonstration durch die Polizei. Die gleichzeitige Zerschlagung der Demo an verschiedenen Stellen war wiederum genauso von den politisch und polizeilich Verantwortlichen vorher geplant.
7. Sie scheuten auch nicht davor zurück, an entsprechenden Stellen und Zeitpunkten Provokateure ins Spiel zu bringen, nicht nur in Zivil, sondern auch in Uniform. Die speziellen Polizeikräfte, die dabei zum Einsatz kamen, müssen als agent provocateur charakterisiert werden. Es muss ebenfalls davon ausgegangen werden, dass sich unter den wenigen Steine – und Flaschenwerfern sowie denen, die Barrikaden in Brand setzten, auch einige von Politik und Polizei eingesetzte Provokateure befanden.
Die Gewalt der Massen manifestiert sich in der Demonstration der Massen, die die Straße erobern für ihren Widerstand gegen die Regierungspolitik. Wenn der Berliner „Tagesspiegel“ die 1. Mai-Demos insgesamt und besonders die Revolutionäre 1.-Mai-Demo unter dem Titel „Krawalle am 1. Mai“ denunzieren will, zeigt er damit nur seinen reaktionären Charakter und seine „journalistische“ Verlogenheit. Aber damit erfüllt er nur seine Pflicht als „journalistischer“ Diener der Regierungspolitik, die jeden Widerstand gegen sich generell mit „rechts“ oder, wenn das wie in diesem Fall nicht geht, eben mit „Krawall“ abzutun versucht.
Werner Uhde
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