Von R2G zu RGR: Eine neue Regierung – für eine neue Welle des Kaputtsparens?

Die bisherige Landesregierung von SPD, Linke und Grüne unter Michael Müller, R2G genannt. soll jetzt durch eine Landesregierung von SPD, Grüne und Linken unter Franziska Giffey abgelöst werden. Diese Regierung wird aber nicht die Fortsetzung der alten Regierung sein.

Es ist unübersehbar, dass Franziska Giffey auch gern eine Regierung mit CDU und FDP gebildet hätte. Aber der Absturz der CDU verhinderte schon die Sondierungen mit der CDU. So sprach Giffey einerseits mit den GRÜNEN und der FDP – und parallel mit den GRÜNEN und der Linken. Die Mehrheit von rot-grün-gelb wäre mit sechs Sitzen sehr knapp gewesen, zumal die Hälfte der SPD-Bezirke schon erklärt hatte, dass sie eine solche Koalition ablehnen würden. Die Koalition von SPD, Grünen und Linken verfügt über die komfortable Mehrheit von 18 Sitzen.

Der SPD-Landesvorstand beschloss Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und der Linken. Die drei Parteien veröffentlichten ein gemeinsames Sondierungspapier, auf dessen Grundlage jetzt ein Koalitionsvertrag erarbeitet werden soll. Viele Formulierungen des Papiers, das eindeutig die Handschrift von Franziska Giffey trägt, bleiben sehr allgemein und vage, dennoch zeigt es auf, in welche Richtung die „neue“ Politik gehen soll. Wir können hier nur einige Aspekte behandeln.

Die Interessen der Stadt und der Bevölkerung unter Finanzierungsvorbehalt – Kaputtsparen 2.0

Als erster Punkt steht das Thema Haushalt und Finanzen im Sondierungspapier. „Die finanzielle und wirtschaftliche Lage des Landes Berlin hat sich während der Corona-Pandemie verändert.“ Das ist eine Beschönigung, sie hat sich massiv verschlechtert und die Krise vertieft sich noch. Vielen Betrieben droht die Insolvenz, die Armut hat sich mit der Corona-Pandemie ausgeweitet.

Dennoch heißt das große Versprechen: „Wir sparen uns nicht aus der Krise heraus, sondern wir investieren.“

Es folgt das Bekenntnis zu einer „verantwortungsvollen finanzpolitischen Strategie“ und heißt dann: „Wir setzen dabei Schwerpunkte und priorisieren unsere Maßnahmen in allen Politikfeldern.“ Was bedeutet das? In allen Bereichen werden Prioritäten gesetzt und was als nicht „so wichtig“ eingestuft wird, wird abgebaut. So wurden schon immer Sparprogramme eingeleitet.

Die Koalitionäre sprechen nicht davon, dass die Schuldenbremse in Kraft gesetzt werden soll – man muss ja nicht alles beim Namen nennen – sondern erklären, dass die „rechtlichen und fiskalischen Spielräume konsequent genutzt“ werden sollen.

Es gibt keine klaren Aussagen zu Maßnahmen für die Wiederherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Verwaltung, für die Verwirklichung des Rechts auf Bildung, Wohnen, ÖPNV, die Gesundheitsversorgung…, verbunden mit der Frage, wie können wir die dafür notwendige Finanzierung sichern. Umgekehrt sollen die finanziellen Spielräume „mit den gesetzten Schwerpunkten in Einklang“ gebracht werden. Der bestehende Investitionsstau wird dabei erst gar nicht angesprochen.

Machen wir es kurz.

Das strukturelle Defizit, so der Finanzsenator Kollatz, beträgt ca. zwei Milliarden Euro. Mit der Verpflichtung auf eine Politik der Haushaltskonsolidierung, d.h. auf die durch den Finanzvorbehalt bestimmte Priorisierung, werden die Weichen gestellt für eine neue Welle eines noch verschärfteren Kaputtsparens.

Das Recht auf Wohnen wird dem Konsens mit den Investoren unterworfen

Die über eine Millionen Stimmen für den Volksentscheid „Deutsche Wohnen &Co. enteignen“ waren mehr Stimmen, als die Parteien SPD, Grüne und Linke in den Wahlen zusammen erhalten haben. Das ist ein klarer Auftrag an den zukünftigen Senat, endlich über staatliches Eingreifen den Wohnungskonzernen die Macht zu nehmen, die Mietpreise ungebremst in die Höhen zu treiben.

Nachdem zunächst als Schwerpunkte der „Wohnungsneubau“ und das „Wohnungsbündnis“ betont werden, heißt es im 4. Abschnitt zum „Volksentscheid“: „Die neue Landesregierung respektiert das Ergebnis des Volksentscheides und wird verantwortungsvoll damit umgehen.“

Na bravo, aber wie? „Sie setzt eine Expertenkommission zur Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens ein. (…) Die Kommission erarbeitet innerhalb eines Jahres eine Empfehlung für das weitere Vorgehen an den Senat, der dann eine Entscheidung darüber trifft.“

Alles andere wäre „verantwortungs-los“? Es gibt keine Aussage dazu, welche Maßnahmen der Senat sofort ergreifen wird gegen den wahnwitzigen Mietwucher – für die Senkung der überteuerten Mieten und einen längeren Mietenstopp. Sicher ist die oft geäußerte Befürchtung, dass der Volksentscheid eine Beerdigung erster Klasse erfährt, nicht ganz von der Hand zu weisen. Dafür will sich die neue Koalition „im Land und im Bund für einen konsequenten Schutz der Mieterinnen und Mieter“ einsetzen. Wenn von der Bundesebene ein „Mietenmoratorium“ kommt, dann wollen sie es „konsequent“ umsetzen. Bisher wurde von den Bundesregierungen, bis hin zur letzten GroKo, jede konsequente Maßnahme zum Schutz der Mieter verweigert, eine Beruhigung für Giffey.

20.000 Wohnungen im Jahr sollen neu gebaut werden. „Die dafür notwendige soziale und verkehrliche Infrastruktur und die Grün- und Freiflächen werden geschaffen“, sowie eine „Beschleuni-gung und Vereinfachung der Bau- und Planungsverfahren“, d.h. Vorleistungen für die Wohnungsbaukonzerne sind versprochen. Schließlich stecken hinter dem Bauen die Finanzmärkte und ihr Renditehunger. Für sie muss sich das Bauen rechnen.

Ein staatlicher sozialer Wohnungsbau, finanziert und kontrolliert durch den Staat, findet dagegen keinen Eingang in das Papier.

Stattdessen soll „ein Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen gegründet“ werden, dass „die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die Genossenschaften und die privaten

Wohnungsunternehmen“ zusammenbringt. „Wir setzen dabei auf das Prinzip Kooperation statt Konfrontation.“ Als ob die großen Wohnungsbaukonzerne, die den Profit und den Spekulationsgewinn im Auge haben, für eine „soziale Mietenpolitik“ zu gewinnen seien.

Wiederherstellung einer verantwortungsvollen Gesundheitsversorgung ist nicht vorgesehen

Sprache kann entlarven. Die Koalitionäre sprechen nicht von dem Recht auf Gesundheitsversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie sprechen von der „Gesundheitswirtschaft“, die sie „insgesamt stärken“ wollen. Das sei zwar eine „elementare staatliche Aufgabe“. Aber auch hier setzen sie, wie beim Wohnungsneubau, auf die Privaten und Investoren: „Dafür setzen wir auf eine gute Zusammenarbeit mit allen Krankenhausträgern und Leistungserbringern im Gesundheitswesen unserer Stadt.“

Den wochenlangen Streik der Beschäftigten von Charité und Vivantes können die Koalitionäre nicht ganz wegignorieren. Also auch hier eine Verbeugung: „Wir verständigen uns auf eine verbesserte Investitionsfinanzierung für Charité und Vivantes.“ Was heißt „verbessert“? Notwendig ist die vollständige Finanzierung der Investitionen und der Beginn mit dem Abbau des aufgehäuften Investitionsstaus! Dazu ist die Landesregierung Berlin gesetzlich verpflichtet. Wird der Gesetzesbruch durch fehlende Ausfinanzierung der Investitionen fortgesetzt?

Auf die Forderung nach „Mehr Personal“ antworten sie mit der abgenutzten Floskel: „Wir setzen uns dafür ein, die Arbeitsbedingungen und Bezahlung zu verbessern und weitere Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu ergreifen.“ (!)

Die Forderung nach „TVöD für Alle“ wird an anderer Stelle beantwortet mit den Worten: „Wir setzen uns für den weiteren Abbau prekärer Beschäftigung ein, setzen auf eine starke Tarifbindung und erhöhen den Vergabe- und Landesmindestlohn auf 13 Euro.“ (!)

Kein Wort zur Respektierung der Flächentarifverträge, kein Wort zur Politik der Ausgründungen und Tarifflucht durch Fremdvergaben, die von den Geschäftsführungen von Charité und Vivantes schamlos betrieben werden, u.a. zur Kompensation erreichter Tarifergebnisse.

Im Übrigen: Die Forderung nach „Mehr Personal“, wird in dem Papier durchgängig nur sehr unverbindlich formuliert, sowohl für die Schule wie bei der Feuerwehr und der Verwaltung. Eine Ausnahme gibt es beim Verkehr und – wie nicht anders zu erwarten – bei der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden.

 Der Kampf für die Verteidigung und Wiederherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge hat begonnen

In seiner Broschüre zu den Wahlen schreibt der Bezirksvorstand von ver.di Berlin: „Berlin braucht ausreichendes und qualifiziertes Personal und Investitionen für die Öffentliche Daseinsvorsorge. Dafür tritt ver.di anlässlich der Berliner Wahlen ein und wird dafür mobilisieren.“

Bei Charité und Vivantes haben die Kolleg*innen mit ihrem harten und kraftvollen Streik mit ihrer Gewerkschaft ver.di für diese Forderungen gekämpft. Die Sondierungsergebnisse von rot-grün-rot können sie nur als Aufforderung verstehen, dass sich die Kolleg*innen mit den Berliner Gewerkschaften weiter aktiv mobilisieren müssen, um die Interessen der arbeitenden Bevölkerung, der Mieter und Jugend… gegen die Interessen der großen Konzerne zu verteidigen. Von dem neuen rot-grün-roten Senat ist keine Offensive in dieser Perspektive zu erwarten.

Gotthard Krupp

 

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