Einen Tag vor der Wahl riefen in ganz Deutschland die Parteien der Regierung Scholz, unterstützt von der DGB-Führung, den Medien, auch von Organisationen der Linkspartei…, auf zu Massendemos für die „Einheit von Volk und Regierung gegen rechts“. Sie wollen ablenken von der wachsenden Wut und Empörung über ihre kriegstreibende, sozialzerstörerische und antidemokratische Politik. Übrigens schon bei der letzten EU-Wahl 2019 organisierten die führenden Regierungen Europas, an ihrer Spitze Macron und Scholz, unter Nutzung aller Medien und Gewerkschaftsführungen eine Kampagne: Für die Einheit der Demokraten „gegen Nationalismus und Rechtspopulismus“ – allerdings auch damals schon ohne den Zerfall der EU und der sie tragenden Parteien stoppen zu können.
Jetzt im Mai 2024 zeigt sich, dass die von der Regierung verordneten Massenmobilisierungen „gegen rechts“ schrumpfen. Es braucht noch andere Anstrengungen, um das Volk durch Einschüchterungen und Verunsicherungen ihrer zunehmend autoritären Politik zu unterwerfen. Wie zum Beispiel durch die “Antisemitismuskeule“, durch Straf- und selbst Haftandrohungen, gegen jeden, des es wagt, auch nur seine Stimme gegen Netanjahus völkermörderischen Krieg gegen das palästinensische Volk zu erheben.
Unmittelbar vor der Europawahl nutzt Scholz den tödlichen Messerangriff von Mannheim, dessen Hintergründe bisher keineswegs aufgeklärt sind, um die Einheit von Volk und Regierung gegenüber der Bedrohung der Sicherheit durch “Terror” demagogisch zu beschwören, Diesem „Terror sagen wir den Kampf an“. Es ist derselbe Scholz, der hier das Volk zum gemeinsamen Kampf für die „Sicherheit“ aufruft, der mit seiner Politik Deutschland in einen zweiten historischen Krieg gegen Russland treibt: 85 Jahre nachdem Nazi-Deutschland mit dem Kriegszug gegen Russland den 2. Weltkrieg auslöste.
Eine schallende Ohrfeige für die Regierung Scholz und alle etablierten Parteien
Die Regierung Scholz, die führenden EU-Vertreter und die regierungshörigen Medien sprechen von eindrucksvollen „Pro-EU-Wahlen“.
Ihre Betrugsstory: Zugleich wollen sie die Stimmen der Ablehnung als „Siegeszug der Rechtspopulisten und -extremisten“ diskreditieren, faseln allgemein von einem „Rechtsruck“ (FAZ). Allerdings muss die FAZ zugeben, dass die „Wähler skeptischer gegenüber der EU geworden sind“.
Es sind Wahlergebnisse von historischer Bedeutung:
1. Die Ampel-Parteien konnte zusammen nicht einmal ein Drittel der Wählerstimmen gewinnen. Sie verloren über fünf Millionen Stimmen ihrer ehemaligen Wähler an die Nichtwähler – eine heftige Ohrfeige, von den drei Regierungsparteien selbst als „Klatsche“ charakterisiert.
2. Die SPD verbuchte mit 13,9% das historisch schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl. Sie allein verlor 3,6 Millionen Stimmen an die Nichtwähler.
3. Obwohl in der Opposition gehört die Union tatsächlich auch zu den Verlierern. Sie stagniert bei einem mageren Plus von 1,1% und bleibt damit am unteren Rand ihrer eigenen Erwartungen, auch wenn sie in manchen Regionen stärkste Partei wurde. Sie konnte die Proteststimmen nicht auf sich konzentrieren, diese gingen vor allem an die Nichtwähler, an AfD und BSW.
4. Die rechte und in ihrem Kern rechtsextreme AfD kann, besonders in den von den sozialen Zerstörungen betroffenen Ländern Ostdeutschlands, die zunehmende Zahl an Proteststimmen, Ausdruck der schon immer existierenden, aber jetzt noch zunehmenden, Ablehnung aller etablierten Westparteien, mit 15,9% auf sich konzentrieren. Die Ablehnung der EU drückt sich auch in der gestiegenen Stimmenzahl für die AfD aus. Das sind Proteststimmen gegen die Politik der EU und die Scholz-Regierung, die von allen etablierten 5 Parteien unterstützt wird.
Das historische Ergebnis für das BSW setzt ein Signal
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), dass sich erst vor einem halben Jahr nach der Abspaltung von der Linkspartei als Partei konstituiert hat, verbuchte mit dem 6,2%-Ergebnis einen historischen Erfolg. Wird das die “Neue Partei“, nach der alle von der Regierung unabhängigen Strömungen, nach der Arbeiterkämpfer und Jugendliche suchen?
In Thüringen hat das BSW mit 15% mehr Stimmen als die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP zusammen, während die jetzige Regierungspartei, Die Linke, fast 60% ihrer Wähler*innen verliert. Auch in Sachsen-Anhalt gewinnt das BSW 15%, in Sachsen 12,6%, in Brandenburg 13,8%, womit sie jeweils nur knapp hinter den Gesamtstimmen für die drei Ampelparteien liegt. 550.000 ehemalige SPD-Wähler*innen und 470.000 von der Linkspartei geben ihre Stimme (und ihr Vertrauen) in dieser Wahl dem BSW. Auch in westlichen Arbeitervierteln, z.B. in Berlin Spandau, Köln und Frankfurt/M. liegt das BSW oft gut über dem Bundesdurchschnitt (siehe Seite 4).
Die Regierung Scholz erkennt im BSW den Hauptfeind für die kriegerische, sozialzerstörerische und die Grundrechte und Freiheiten angreifende Politik des seit Jahrzehnten herrschenden etablierten Parteiensystems.
Die Ablehnung
Im Namen der „Staatsräson“, der Verteidigung Israels/Netanjahus macht sich die Regierung Scholz verantwortlich für den Völkermord am palästinensischen Volk und verweigert der palästinensischen Bevölkerung in der BRD die Grundrechte der Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit.
Über 60% der Bevölkerung lehnt Israels Militär-Einsatz in Gaza, die finanzielle und militärische Unterstützung der mörderischen Politik von Netanjahu durch die Scholz-Regierung ab. 1000e organisieren sich in Protestaktionen für die Verteidigung des palästinensischen Volkes.
Abgelehnt wird von der Mehrheit der Bevölkerung die Unterstützung der Eskalation des Kriegs sowohl gegen Russland durch die EU, wie der Kriegszug Netanjahus.
Das sind nicht die Kriege des Volkes. Sie lehnen die Lieferung westlicher und auch deutscher Waffen ab, die auf Ziele in Russland ausgerichtet sind. Sie wollen nicht, dass Deutschland in einen Krieg mit Russland und in einen neuen Weltkrieg getrieben wird.
Die gesellschaftliche Mehrheit lehnt es ab, die Kosten für diese kriegstreibende Politik mit dem Raubbau an allen erkämpften sozialpolitischen Errungenschaften zu zahlen. Sie lehnt es ab, dass unter dem Druck des Kapitals eine Politik zur Förderung der Inflation verordnet wird, die Reallöhne gekürzt, und z.B. in Deutschland die Flächentarifverträge zersetzt werden.
Diese Politik zeigt den Charakter der EU-Institutionen als Umsetzungszentrale der weltweit führenden US-Monopole für die Kriegsaufrüstung. Der US-Wirtschaftskrieg gegen die EU trifft besonders empfindlich die deutsche Industrie und Bevölkerung durch die Sanktionspolitik gegen Russland, die zudem verantwortlich ist für die Preisexplosion und damit verbunden für die Ankurbelung der Immobilienspekulation und Mietenexplosion.
Diese Ablehnung findet ihren Ausdruck in den Wahlergebnissen, hier illustriert am Beispiel der BRD.
Welche politische Perspektive?
Das BSW ist die einzige Partei, in der vor allem gewerkschaftliche und politische Arbeiterkämpfer und engagierte Jugendliche die politische Stimme erkennen, die schließlich die gesellschaftliche Mehrheit auf den Kampf orientieren kann: Schluss zu machen mit der Regierung Scholz und ihrer Politik; und die den Weg bereiten kann für eine Regierung zur Erfüllung der Forderungen des Volkes – für Frieden, für die Verteidigung und Wiederherstellung des Sozialstaates, die Verwirklichung der Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit für alle!
Dafür engagieren sich die Politischen Arbeitskreise, Arbeiterkämpfer und Jugendliche in Verbindung mit der „Sozialen Politik & Demokratie“, die sich bisher vor allem in Strömungen wie Was Tun?! integriert haben.
Das aber verlangt endlich die Öffnung des BSW für diese breitesten Schichten.
Carla Boulboullé / Werner Uhde, 13. Juni 2024
Veröffentlicht in Soziale Politik & Demokratie Nr. 508 vom 14. Juni 2024
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