„Herr Scholz, Ihre Regierung ist eine Gefahr für die Demokratie, für den Wohlstand (…) für den Frieden in Deutschland“

(Sahra Wagenknecht am 11. September 2024 in der Generaldebatte im Bundestag )

Die Entlassungswelle in der deutschen Industrie verallgemeinert sich, VW kündigt erstmals seit 87 Jahren Werkschließungen und Entlassungen an. Der Kahlschlag gegen die soziale Infrastruktur und Öffentliche Daseinsvorsorge zeigt dramatische Folgen: Eine Elb-Brücke in Dresden bricht einfach in sich zusammen, 4.000 Brücken müssen zügig saniert oder ersetzt werden.

Der kommunale Investitionsstau in Deutschland beträgt 186 Mrd. Euro. Chaos im Bahn- und Nahverkehr, dennoch will die Bundesbahn 30.000 Beschäftigte entlassen. In den Berliner Schulen muss das Schulessen wegen schlechter Qualität und angeblichen Lieferschwierigkeiten beim Unternehmen ausfallen – einmalig?

Und Kanzler Scholz?

Er „wirtschaftswundert“ weiter – wider jede Realität. So wird ein zentraler Baustein des Scholzens Wirtschaftswunder, der Bau der Chipfabrik in Magdeburg, von Intel gerade auf lange Zeit verschoben (in Wirklichkeit abgesagt).

Intel „verzichtet“ auf die von der Scholz-Regierung versprochenen 10 Milliarden Euro Subventionen; die Kosten für die schon geleisteten staatlichen Vorleistungen, Grundstücke, Wasser- und Abwasserversorgung… verbleiben bei Land und Kommune. „America first“ ist stärker als „good old Europe.“ Die USA bieten Intel 20 Milliarden Dollar an Subventionen!

Gleichzeitig verspricht die Ampel der Rüstungsindustrie weiterhin Mega-Gewinne: Deutschland ist Akteur in den vielfältigen Kriegen weltweit. Geliefert werden Waffen nach Israel für den Einsatz beim Völkermord am palästinensischen Volk, deutsche Kriegsschiffe fahren im Roten Meer, dem Golf von Aden und in der Taiwanstraße … weitere Waffenlieferungen für Selenskyjs Krieg. Das sind alles politische Entscheidungen einer von den Finanzmärkten getriebenen Scholz-Regierung – und deren Entscheidungszentrum liegt nun mal bei den großen weltweit dominierenden US-Konzernen.

Zu dem Wirtschaftskrieg der USA gegen Europa und besonders Deutschland gehört die Sanktionspolitik gegen Russland. Sie hat die Energiekosten so in die Höhe getrieben, dass besonders die energieintensive Produktion sich auf den Weltmärkten nicht mehr behaupten kann.

Produktionsverlagerungen und Standortsschließungen, längst angekündigt, werden jetzt umgesetzt. Die deutsche Industrie ist besonders stark von der Rezession betroffen.

Die Zahl der Firmenpleiten ist im ersten Halbjahr um ein Viertel gestiegen, in der Industrie sogar um 29 %. Dabei nimmt die Zahl der Großinsolvenzen zu, die weitere Insolvenzen kleinerer Betriebe nach sich ziehen. Die Arbeitslosigkeit steigt an, an die Stelle bisher gut bezahlter Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe treten vermehrt prekäre Billigjobs.

„Deindustrialisierungskoalition“

Christian Leye, Generalsekretär des BSW, kritisiert die „Investitionsverweigerer der Ampel“. Die selbsternannte Fortschrittskoalition sei inzwischen zu einer Deindustrialisierungskoalition verkommen.

Der Investitionsbedarf ist gigantisch. 600 Milliarden fordern die Ökonomen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft, um den Investitionsstau in den Kommunen aufzulösen, zum Wiederaufbau der Bildungsinfrastruktur, der Energie- und Verkehrsnetzen, des öffentlichen Fern- und Nahverkehrs.

Doch der Bundeshaushalt ist geprägt von dem Diktat der Kriegswirtschaft.

Die Rüstungsausgaben steigen. Staatliche Übernahmen, wie die der Meyer Werft, dienen der Sicherung der Rüstungssparte des Unternehmens, neue Beteiligungen bei Rüstungskonzernen soll die staatliche Kontrolle absichern. Da wird schnell Geld locker gemacht. Die Reparatur von Brücken, Autobahnen und Zugtrassen werden vor allem auf Kosten der zivilen Nutzung unter Kriegsanforderungen vorangetrieben.

Dafür werden Sozialausgaben gekürzt: beim Bürgergeld, der Rente…; eine Lauterbachreform zur Förderung des Krankenhaussterbens, kein Geld gegen Kinderarmut. Bei Integrationskursen für Migranten wird von 1,1 Mrd. auf 500 Mio. Euro gekürzt. Die Hetzkampagne gegen „integrationsunwillige“ Migranten kann weitergehen, unter der Regie der Regierung Scholz.

Doch trotz der massiven Förderung der Kriegswirtschaft weitet sich die Rezession in der Zivilwirtschaft aus, für die die Massen einen teuren Preis zahlen.

Ablehnung und Widerstand - ein heißer Herbst kündigt sich an

In Sachsen und Thüringen wurden die Parteien der Regierungskoalition abgewählt. Diese Scholz-Regierung und ihre kriegstreibende und sozialzerstörerische Politik haben längst jede Legitimation verspielt.

Arbeitgeber wollen Krieg und Krise nutzen, um weiterhin die Reallohnsenkung zu erzwingen.

Provoziert haben sie einen breiten Aufschwung der Streiks zur Verteidigung des Reallohns in den letzten beiden Jahren.

Die Anzahl der Streiktage vervielfachte sich, neue Schichten von Arbeitnehmer mobilisieren sich.

In der Metallindustrie wird der Tarifkampf mit ersten Warnstreiks eröffnet.

Tausende Stahlarbeiter demonstrierten am 16.9. beim Stahlgipfel in Duisburg; jetzt haben die VW-Arbeiter Streiks angekündigt; 20.000 Beschäftigte demonstrierten am 11.9. gegen Entlassungen beim Automobil-Zulieferer ZF.

Im Öffentlichen Dienst kündigt sich ein harter Tarifkampf an. Die Kita-Kolleginnen in Berlin sind nach mehreren Warnstreiks in der Urabstimmung für einen unbefristeten Streik.

Die zahlreichen Bewegungen für den Frieden, gegen den Krieg in der Ukraine, gegen den Krieg in Gaza und seine Ausweitung, gegen die Waffenlieferungen an Israel und die Ukraine, werden eine Zentralisierung auf der Groß-Demonstration am 3. Oktober in Berlin finden.

Wir brauchen einen politischen Neuanfang

Die Gewerkschaftsführungen sind die wichtigste Stütze für die Regierung Scholz und ihre kriegerische, sozialzerstörerische Politik (auch in Form einer „kritischen Begleitung“) „Tagtäglich wird auf allen politischen Ebenen, von der Scholz-Regierung, über die Länderregierungen bis in die Kommunen der Große Krieg vorbereitet. Das aber heißt auch sozialer Krieg gegen das Volk. Und das soll keine Auswirkung auf unsere Gewerkschaftsarbeit haben? Und wir brauchen eine politische Antwort!“ 130 Kolleginnen diskutierten am 9. September im IGM-Haus in Berlin.

Die Eskalation des Krieges, die Transformation in die Kriegswirtschaft und die Unterwerfung aller gesellschaftlichen Bereiche unter die militärischen Anforderungen hat unmittelbare Folgen für die Arbeitsplätze, für die Tarifkämpfe, in den Schulen und Krankenhäusern…

Doch von der Gewerkschaftsführung erfahren wir nur ein donnerndes Schweigen.

Die Kollegen und Kolleginnen waren sich einig, dass der Kampf für die Verteidigung der Reallöhne, für die Verteidigung der Arbeitsplätze, für die Verteidigung der Öffentlichen Daseinsvorsorge gegen die Kaputtsparpolitik verlangt: Schluss zu machen mit der Regierung und ihrer die Politik. Wir brauchen einen politischen Neuanfang: „Wir brauchen ein politisches Bündnis der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gegen Krieg und Sozialabbau, für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Demokratie.“

Per Akklamation wurde am 9.9. auf der Versammlung im Berliner IG Metall-Haus ein Aufruf für die Demonstration „gegen den Krieg – gegen den sozialen Krieg!“ am 3.10.2024 in Berlin angenommen.

Gotthard Krupp, 18. September 2024

Veröffentlicht in Soziale Politik & Demokratie Nr. 515 vom 20. September 2024

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