Als Beispiel für die Schrumpfung der industriellen Produktion, welche die deutsche Wirtschaft erschüttert, diente schon der Angriff des Vorstands von VW auf erkämpfte Tariferrungenschaften der Arbeiter (s. „Soziale Politik & Demokratie“, Nr. 515, 20.9.2024, S.3). Die Abbaupläne der VW-Konzernleitung haben notwendigerweise Auswirkungen auf ganz Europa. So meint der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die Schweizer Wirtschaft bekommt die Schwäche der deutschen Industrie zu spüren: „Wenn Deutschland den Schnupfen hat, hat die Schweiz Grippe.“
Der folgende Artikel, geschrieben am 2.12.2024, kann als Fortsetzung des o.g. Artikels in der „Sozialen Politik & Demokratie“, gesehen werden.
Unternehmerangriffe und Arbeiterstreiks erschüttern Deutschland
Der VW-Vorstand plant, die Rendite von ca. 2% auf 6,5% bis 2026 zu steigern. Er hatte darum schon entschieden, die erkämpften tarifvertraglich festgelegten Tariferhöhungen nicht auszuzahlen. Er hat vor, das Geld für einen „Zukunftsfonds“ als teilweisen Ausgleich für „flexible Arbeitszeitverkürzung“ zu benutzen. Nach bisherigen Erfahrungen wurde das für eine individuelle Förderung flexibler Arbeitszeitverkürzung von vereinzelten Arbeitern genutzt.
„Die Aufkündigung der gültigen `Tarifverträge für Beschäftigungssicherung´, die allerdings die Arbeiter mit generell 10% Lohnverzicht bezahlt haben, muss zurückgenommen werden“, forderten damals die Kollegen (siehe o.g. „Soziale Politik & Demokratie“).
Jetzt, in den aktuell beginnenden Tarifverhandlungen, ließ der Vorstand alle Skrupel fallen:
- Keine Auszahlung der erkämpften Erhöhung des Tariflohns;
- stattdessen 10% Lohnkürzungen für alle;
- mindestens drei Betriebsschließungen, darunter Dresden und Osnabrück.
Das provozierte eine am Samstag, den 30. November, beginnende Welle von Warnstreiks in allen Werken von VW in der BRD. In diesen ersten Advents-Dezembertagen wird Deutschland durch die Angriffe des Kapitals auf seine größte Autoproduktion und ihre Arbeiter/Produzenten, sowie die Welle der Arbeiterstreiks als Antwort darauf erschüttert.
Die Rolle des Bezirksleiters der IG Metall und der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden
Im Rahmen der berüchtigten „Sozialpartnerschaft“ lässt das Kapital arbeiterfeindliche Pläne gewöhnlich den Belegschaften durch die Betriebsräte und die IGM verkünden. Diese haben die Aufgabe, unter dem Druck der Kollegen zunächst konsequente Ablehnung und radikale Forderungen gegen die Unternehmensvorschläge zu formulieren und auch Streikaktionen zu initiieren – um dann in den Verhandlungen mit der Unternehmensleitung die arbeiterfeindlichen Maßnahmen „sozialverträglich“ zu gestalten und für die Kollegen als akzeptabel zu empfehlen. Schon Monate vor den jetzigen Tarifverhandlungen hatte der VW-Konzern vage Andeutungen gemacht über die Notwendigkeit, immer im Namen der Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitskosten zu senken und auch Arbeitskräfte weg zu sparen.
Schon damals hatte der IGM-Bezirksleiter, Thorsten Gröger, in Übereinstimmung mit der Vorsitzenden des Konzern-Betriebsrats,Daniela Cavallo (auch IGM), den Vorschlag gemacht, die übertariflichen Leistungen zu streichen und mit einem „sozialverträglichen“ Arbeitsplatzabbau bei den Altersteilzeit- und übrigen Teilzeitbeschäftigten zu beginnen. Darüber hinaus empfahlen sie dem Kapitaleigner von VW einen Plan, die nächste Tariferhöhung 2025/26 nicht auszuzahlen, sondern das Geld in einen „Zukunftsfonds“ als Teilausgleich für die Förderung der „flexiblen Arbeitszeitverkürzung“ zu benutzen. Das boten sie der Unternehmensleitung unter der Bedingung an, auf betriebsbedingte Kündigungen und auf Schließungen zu verzichten.
Mit Ausnahme eines „sozialverträglichen“ Arbeitsplatzabbaus stehen diese Pläne jetzt im Zentrum des Generalangriffs der Konzernleitung gegen die Errungenschaften der VW-Arbeiter. Und ohne jeden Skrupel hat diese die Kündigungen, Entlassungen und auch Schließungen ins Zentrum ihrer arbeiterfeindlichen Maßnahmen gestellt.
Unter dem Druck der Arbeiter und der beginnenden Streikwelle sehen sich Gröger und Cavallo jetzt und zur Zeit zu einer konsequenten Ablehnung und Androhung der Ausweitung von Streiks genötigt. In Übereinstimmung mit Cavallo droht der IGM-Bezirksleiter Gröger mit dem „härtesten Tarifkampf, den VW je gesehen hat – wie ihn die Republik lange nicht erlebt hat“. Das verkündete Cavallo am Montag, dem 2.12., vor 25.000 VW-Kollegen in Wolfsburg, die sie über die Vorstandspläne informierte. Zugleich hielt sie dabei an den 7%-Forderungen der IGM im Tarifkampf fest. Solche Massenversammlungen fanden an allen VW-Standorten statt, so in Zwickau, Emden und Hannover…
Nach der bundesweiten Streikwelle vom 30.11. und 1./2.12. werden alle VW-Werke am 4.12. durch Betriebsversammlungen lahmgelegt. Auf ihnen entscheidet sich, welchen Druck die Arbeiter für ihre Forderungen nach Verteidigung aller Arbeitsplätze und Standorte, sowie eines tariflich abgesicherten Reallohns aufbringen können.
Und wie sich andererseits die Linie des IGM-Verantwortlichen und der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, unterstützt von dem Regierungsvertreter Minister H. Heil, durchsetzen kann. Eine Linie, welche die Unausweichlichkeit eines von ihnen „sozialverträglich“ genannten Abbaus von Arbeitsplätzen und Verzicht auf Lohn und Tariflohnerhöhungen beschwört; ja selbst von Standorten, an denen allen Erfahrungen entsprechend, eine Rest-Belegschaft die Demontage der Maschinen und Produktionshallen organisieren muss.
Aber Kapital und Regierung müssen wissen, dass war nicht die Niederlage der Arbeiter. Die Industriearbeiterschaft in ganz Deutschland wird sich auf die großartige Kampfkraft und den Widerstand der VW-Arbeiter in ihrem Kampf gegen weitere arbeiterfeindliche Angriffe stützen können.
Werner Uhde, 2. Dezember 2024
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