2012 hat Opel in Deutschland über alle Werke hinweg 2.600 Arbeitsplätze vernichtet. In Bochum allein 1.500 seit Juni 2011.
Im Werk Bochum arbeiten heute 3.400 KollegInnen, weitere 1.600 haben über Partnerfirmen und Werksverträge hier ihren Arbeitsplatz, bis zu 45.000 Arbeitsplätze in NRW sind darüber hinaus von dem Werk abhängig.
Die Entscheidung des US-Mutterkonzerns General Motors vom 20. Dezember, den Produktionsstandort Bochum wegen fehlender „Wettbewerbsfähigkeit“ und „europaweiter Überkapazitäten“ zu schließen, schlägt ein wie eine Bombe und zerreißt das Dauergeschwätz der Regierung Merkel über den Beschäftigungsrekord, hinter dem sich die Fratze der immer neuen Rekorde an Armutslöhnen in Deutschland verbirgt.
Die Schließung von Opel Bochum ist nicht das Ende, sondern eine Etappe im weiteren Arbeitsplatzabbau auch bei Opel und Auftakt für die vermehrte Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie. Sie fällt zusammen mit der Ankündigung der Schließung der Edelstahlwerke ebenfalls in Bochum und anderen Ruhrgebietsstädten, – mit der Ankündigung von Entlassungen in allen Industriebranchen.
Kein Zweifel, alle Metaller und Industriearbeiter sehen heute voller Sorge, viele auch in ohnmächtiger Wut, auf Bochum, weil sie darin die Entwicklung erkennen, die auch sie bedroht. Weil sie aus der Erfahrung Schlüsse ziehen wollen, um ihre Ohnmacht zu überwinden und sich für den Kampf für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze zu bewaffnen.
Diese Schließung von Opel ist ein Ergebnis von „Verhandlungen“, wie sie nicht nur bei Opel sondern in allen Wirtschaftsbereichen zwischen der Unternehmensleitung, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft üblich sind. Solche Verhandlungen finden nicht statt auf der Grundlage der Forderungen der Arbeitnehmer nach Verteidigung aller Arbeitsplätze und der Produktion. Sie finden statt auf der Grundlage der Unternehmerforderungen nach Lohnverzicht, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Ausweitung der prekären Beschäftigung… und von Arbeitsplatzvernichtung, im Namen der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit. Und deren Ergebnis ist immer ein in diesem Sinne mehr oder weniger „sozialverträglicher“ Abbau von Arbeitsplätzen und, wie in diesem Falle, die „sozialverträgliche“ Schließung.
Merkel, wie auch die SPD-Führung, ihr Spitzenkandidat Peer Steinbrück und die SPD-Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore Kraft, sie alle lehnen jedes staatliche Eingreifen zum Schutz der Opel-Arbeiter unter „Bedauern“ ab, verbunden mit dem Appell an Opel und GM, die Schließung und Arbeitsplatzvernichtung „sozialverträglich“ zu gestalten.
Für die Landesregierung von NRW hat Wirtschaftsminister Garrelt Duin, SPD, mit der SPD-geführten Stadt Bochum und mit GM eine Arbeitsgruppe „Bochum Perspektive 2022“ vereinbart und dem Betriebsrat, dem DGB und der IG Metall darin einen Platz gegeben. Grundlage dieser Arbeitsgruppe ist die Akzeptanz der GM-Entscheidung, die Autoproduktion in Bochum stillzulegen und damit über 3.000 Produktionsarbeitsplätze direkt zu vernichten.
Duin will gemeinsam mit Betriebsrat und Gewerkschaft GM auffordern, „Ersatzarbeitsplätze“ mit einem Niedrigtarifvertrag im Ersatzteillager und der Komponentenfertigung zu schaffen und auf dem Opel-Werksgelände Betriebsansiedlungen zu finanzieren, ….um die Opelarbeiter vor direkter Arbeitslosigkeit zu schützen.
Gerade die Industriearbeiterschaft an Rhein und Ruhr hat nach solchen „Versprechungen“ in der Realität mit der Vernichtung ihrer produktiven Arbeitsplätze massenhaft die Erfahrung gemacht, in Arbeitslosigkeit zu stürzen und mit Billiglohnverhältnissen abgefertigt zu werden.
Ist es nicht verständlich, dass diese Situation skeptische und bohrende Fragen und erregte Diskussionen provoziert – nicht nur unter Opel-Kollegen, sondern in der ganzen Industriearbeiterschaft und auch unter den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes/Dienstleitungsbereichs?
Gibt es für die Arbeitnehmer und ihre Organisationen keine andere Möglichkeit, als sich grundsätzlich den Entscheidungen für Arbeitsplatzvernichtung, Stellenstreichungen, Betriebsschließungen und Verlagerungen zu unterwerfen? Entscheidungen, die Konzerne und deren Firmeneigner wie öffentliche Arbeitgeber im Namen der Wettbewerbsfähigkeit…, ihres Profits oder der Schuldenbremse diktieren?
Bleibt unserer Gewerkschaft nur die Rolle, für „sozialverträglichen“ Abbau von Lohn, Arbeitsplatz und Betrieb zu sorgen?
Bleibt unserer Gewerkschaft nur die Einbindung in den „sozialen Dialog“ mit Unternehmern und Regierung, in dem wir – unserer Unabhängigkeit und der Möglichkeit des Rückgriffs auf unser stärkstes gewerkschaftliches Kampfmittel, den Streik, beraubt – nur zu jenem ohnmächtigen „kollektiven Betteln“ verurteilt sind?
Am 14. Dezember, vier Tage nach der Entscheidung von GM, Opel Bochum zu schließen, haben dort 2.500 Beschäftigte spontan für drei Stunden die Arbeit niedergelegt. Die KollegInnen wollen die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze. Dafür brauchen sie ihre Gewerkschaft.
Wie kann deren Platz dann in einer „Verhandlung“ oder „Arbeitsgruppe“ sein, in der ihr nichts anderes übrig bleibt, als den „sozialverträglichen“ Abbau der Arbeitsplätze zu organisieren oder die Vernichtung zu akzeptieren und um „Ersatzarbeitsplätze“ zu betteln?
100.000e KollegInnen aus der Industrie und dem Öffentlichen Dienst/Dienstleistungen haben mit ihren kraftvollen Streiks im Frühjahr letzten Jahres das jahrelange Diktat des Lohnverzichts im Namen von Wettbewerbsfähigkeit und Sparpolitik durchbrochen und die Verteidigung und Erhöhung ihres Reallohns erkämpft.
Die Opel-KollegInnen brauchen ihre Einheit, die Einheit aller Beschäftigten aller Standorte mit ihrer Gewerkschaft im Kampf für die Verteidigung aller ihrer Arbeitsplätze und Standorte. Wer hindert die Gewerkschaftsführung an der Entscheidung, entsprechend ihrer großen Verantwortung angesichts der existentiellen Herausforderungen, die ganze Kampfkraft aller Opel-Beschäftigten im vereinten gewerkschaftlichen Streik/Arbeitskampf für die Verteidigung der Arbeitsplätze und Standorte zu organisieren?
Ohne jeden Zweifel wird die Entscheidung für einen solchen Streik größte Unterstützung vom DGB und der arbeitenden Bevölkerung erhalten und von allen Sozialdemokraten, die sich wirklich auf die Interessen der Arbeitnehmer und ihrer Familien berufen.
Und kann das nicht die Kampfkraft mobilisieren, die realistischer Weise allein in der Lage sein wird, von der Regierung in NRW oder Berlin die Entscheidung zu erkämpfen, die von Vernichtung bedrohten Arbeitsplätze und Produktion unter staatlichen Schutz zu stellen und deren Erhalt zu garantieren?
Gibt es eine andere Möglichkeit, Arbeitsplätze und Betriebe zu verteidigen und damit vor Arbeitslosigkeit und Armutslöhnen zu schützen, uns und die nachkommende Jugend?
Das sind Erfahrungen, Fragen und Diskussionen, die wir auf der Arbeitnehmerkonferenz am 26. Januar in Berlin aus allen Bereichen zusammenführen wollen.
Wie können wir, ArbeitnehmerInnen, GewerkschafterInnen, politisch Engagierte und SozialdemokratInnen uns verstärkt organisieren, um dazu beizutragen, die Einheit der ArbeitnehmerInnen und ihrer Organisationen im Kampf gegen die Arbeitsplatzvernichtung herzustellen?
Wie können wir dazu beitragen, die vereinte Kampfkraft der ArbeitnehmerInnen und ihrer Organisationen zu fördern, die wirklich Schluss machen kann mit der Sparpolitik gegen Krankenhäuser, Bildung und Kommunen, unter dem Diktat der Schuldenbremse?
Carla Boulboullé
Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 291 vom 10. Januar 2013
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